Ist Kurzsichtigkeit die neue Volkskrankheit?

Von Christian Franzoso, 16. Juni 2021

Immer im Fokus: Schadet das Smartphone unseren Augen? (iStock)

Sehen wir wegen Smartphones immer schlechter? Was ist der Unterschied zwischen grauem und grünem Star? Und sind Rüebli tatsächlich gut für die Augen? Augenärztin Dr. Barbara Bachmann hat den Durchblick.

Frau Dr. Bachmann, Lesen bei Kerzenlicht ist romantisch und gemütlich. Doch ist schummriges Licht schlecht für die Augen?
Nein. Lesen bei schlechtem Licht ist zwar anstrengend, aber definitiv nicht schädlich für die Augen.

Viele Menschen surfen heutzutage im Bett – noch kurz vor dem Einschlafen – auf ihren Smartphones, Tablets oder Laptops. Wie verhält es sich damit?
Bei elektronischen Geräten mit hohem Blaulichtanteil ist Vorsicht geboten. Es gibt Hinweise, dass spezielle Nerven in der Netzhaut über blaues Licht unseren Tag-Nacht-Rhythmus beeinflussen. Zu viel blaues Licht am Abend kann also eventuell bewirken, dass wir danach schlechter schlafen können.

Dem können wir mit dem Nachtmodus in Sepia entgegenwirken, oder?
Ja, mit diesen Filtern werden der Blaulicht- Anteil und wahrscheinlich auch die gesamte Helligkeit reduziert und der potentielle Stör-Effekt soll so verkleinert werden.

Sehen wir wegen unserer Smartphone, Tablet und Computer-Nutzung immer schlechter?
Ist Kurzsichtigkeit die neue Volkskrankheit? In der Tat tritt heute die Kurzsichtigkeit häufiger auf. Dieses Phänomen ist vor allem in asiatischen Ländern schon eindeutig sichtbar, aber auch in Europa sind immer mehr Erwachsene und Kinder kurzsichtig. Ein Risikofaktor dafür ist die Verwendung von elektronischen Geräten in der Nähe der Augen. Häufige starke Akkommodation, also die aktive Einstellung des Auges auf einen Nah-Punkt, ist ein Risikofaktor für die Entstehung und Verschlechterung von Kurzsichtigkeit. Ab einem gewissen Alter sehen viele Menschen schlechter in die Nähe.

Dr. Barbara Bachmann, Augenärztin in Zürich und Mitgründerin Augenmobil www.augenmobil.ch (zVg.)

Tritt Alterssichtigkeit bei allen Menschen auf?
Ja. Bei der Alterssichtigkeit, der sogenannten Presbyopie, spüren wir plötzlich im Alltag, dass die Akkommodationsfähigkeit unserer Augenlinse kontinuierlich abnimmt. In der Regel tritt dies zwischen 40 und 55 Jahren auf. Menschen, welche ohne Brille gut in die Ferne sehen, können plötzlich nicht mehr gut in die Nähe scharfstellen. Betroffene haben Mühe beim Lesen und brauchen dafür eine Lesebrille. Spätestens zu diesem Zeitpunkt ist eine allgemeine augenärztliche Untersuchung sinnvoll. Es ist auch durchaus ratsam, die Lesebrille beim Optiker anpassen zu lassen, um kleine Hornhautverkrümmungen oder Seitendifferenzen korrigieren zu können.

Wann ist eine Lesebrille empfehlenswert?
Grundsätzlich immer dann, wenn wir ohne eine Lesehilfe nicht mehr lesen können, was wir gerne lesen würden.

Grüner Star ist auch eine Alterserscheinung. Jedoch ein tückische, da sie zu Beginn keine Symptome verursacht.
Das sogenannte Glaukom ist eine Erkrankung des Sehnervs, die zu Gesichtsfeldausfällen führt. Unser Gehirn kann die Ausfälle an einem Auge sehr lange mit der Information des anderen Auges auffüllen. Deshalb kann ein grüner Star lange unbemerkt bleiben. Ein erhöhter Augendruck ist ein Risikofaktor für den grünen Star, der Augendruck ist aber nicht immer zwingend erhöht. Die Häufigkeit des grünen Stars nimmt im Alter deutlich zu – es gibt jedoch auch junge Menschen, welche ein Glaukom haben, und deshalb ist eine erste augenärztliche Untersuchung um das 45. bis spätestens 50. Lebensjahr wirklich wichtig, um Glaukome zu entdecken und wenn nötig auch zu behandeln. Nur so kann ein Fortschreiten dieser tückischen Erkrankung verhindert werden. Ab dem 60. Lebensjahr sind jährliche Kontrollen sinnvoll.

Beim grauen Star oder Katarakt hingegen merken Betroffene die Symptome schnell, denn die Augenlinse trübt sich.
Genau. Oder die Linse ändert die Brechkraft. Dies wird oft als st rend empfunden und die Betroffenen suchen von sich aus augenärztliche Hilfe. Manchmal kommen die Veränderungen aber auch schleichend und bleiben unbemerkt. Das sehen wir öfters bei unseren Untersuchungen mit dem Augenmobil. Menschen mit eingeschränkter Mobilität gehen jahrelang nicht zum Augenarzt, können aber auch nicht ausdrücken, dass die Sehschärfe abgenommen hat, da dies schleichend passiert ist. Besonders an Demenz erkrankte Personen können die Sehverschlechterung schlecht benennen und hier entsteht ein Teufelskreis. Durch das schlechtere Sehen verschlechtert sich wiederum die Orientierung und damit auch die Demenz. Das Erfreuliche beim grauen Star ist, dass er eigentlich fast immer durch eine relativ kurze Operation gut behandelbar ist. Nur bei sehr fortgeschrittenen Befunden steigt leider das Komplikationsrisiko bei der Operation.

Gerade jetzt im Frühling und Sommer ist die Sonneneinstrahlung stärker als im Winter. Sind Sonnenstrahlen gefährlich für die Augen?
Es wird angenommen, dass die Gesamtdosis an Licht- und/oder Ultraviolett- Strahlung ein Risikofaktor für das Entwickeln einer Schädigung der zentralen Netzhaut, der Makula, im Alter ist. Insbesondere dann, wenn das Sonnenlicht reflektiert wird, beispielsweise durch Schnee oder Wasser, sollten die Augen mit einer Sonnenbrille geschützt werden. Eine gute Sonnenbrille schützt einerseits gegen zu viel Licht, aber auch gegen UV-Strahlen. Der direkte Blick in eine sehr helle Lichtquelle wie die Sonne sollte vermieden werden, da entstehen dann auch störende Nachbilder.

Was genau sind Nachbilder?
Das sind sogenannte Phantombilder, die auch dann noch empfunden werden, wenn der ursprüngliche Reiz nicht mehr da ist. Sie entstehen dadurch, dass ausgebleichte Photorezeptoren, also Netzhautzellen, sich regenerieren müssen. Bei kurzem Blick in helle Lichtquellen entstandene Nachbilder sind harmlos – bei fokussierten Lichtstrahlen wie bei starken Laserpointern kann ein bleibender Schaden an den Netzhautzellen entstehen. Soviel ich weiss, fehlen aber leider (noch) verbindliche Grenzwerte für Blendung.

Als Kind wird einem eingebläut: Iss ein Rüebli! Das ist gut für die Augen. Doch stimmt das auch?
Rüebli sind reich an Betacarotin, welches eine Vorstufe von Vitamin A ist. Der Sehzyklus in der Netzhautzelle braucht Vitamin A – insofern ist ein Rüebli sicher nicht schlecht. Allerdings ist auch grünes Gemüse wie Grünkohl oder Brokkoli sehr reich an Betacarotin. Am meisten Vitamin A kommt jedoch in Läberli vor.


Tipps mit Umsicht:

Ab welchem Alter soll ich zum Augenarzt?
Eine erste Untersuchung sollte mit etwa 45 Jahren erfolgen. Dabei geht es vor allem darum, ein Glaukom zu erfassen und damit eine unbemerkte, im Nachhinein nicht mehr behandelbare Verschlechterung, zu verhindern. Ab 60 sind viele Augenerkrankungen häufiger. Deshalb sind dann jährliche Kontrollen empfehlenswert.

Wo kann ich eine günstige Lesebrille erwerben?
Wer keine Fachberatung benötigt, kann eine einfache Lesebrille auch beim Grossverteiler kaufen.

Was tut unseren Augen generell gut?
Zeit in der Natur zu verbringen – natürlich mit geeignetem Sonnenschutz.


Christian Franzoso ist Redaktor bei «GESUNDHEITHEUTE», der Gesundheitssendung am Samstagabend auf SRF 1.
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