So machen Sie Ihr Zuhause sicherer

Von Danica Gröhlich, 30. September 2020

Die Sturzgefahr im eigenen Heim lässt sich vermindern. (iStock)

Die meisten Unfälle passieren im Haushalt. Warum Stürze daheim so häufig sind und wie sich Verletzungen vermeiden lassen.

Im Herbst ziehen wir uns wieder mehr in die eigenen vier Wände zurück. Doch genau hier können Gefahren lauern. «Über eine halbe Million Menschen in der Schweiz verletzt sich jedes Jahr in der Freizeit. Über 2000 Personen sterben», sagt Marc Kipfer, Mediensprecher bei der Beratungsstelle für Unfallverhütung BFU. Knapp die Hälfte der Unfälle ereignet sich zu Hause. Stürze sind dabei für jeden zweiten Verletzten und für vier von fünf Todesfällen verantwortlich. Wer jetzt denkt, dass die meisten bei der Gartenarbeit oder beim Fensterputzen von der Leiter fallen, täuscht sich.

Sturz auf gleicher Ebene

Fast zwei Drittel der Sturzunfälle geschehen ebenerdig – meist dann, wenn man es nicht erwartet. Wir stolpern über die eigenen Füsse, ein herumliegendes Kabel oder rutschen auf nassem Boden aus. Ein Ausgleiten oder Stolpern über ein Hindernis kommt dabei am häufigsten vor, wie die Unfallzahlen zeigen. Pro Jahr kommt es zu rund 50’000 Treppenstürzen mit Verletzen, etwa gleich viele Personen fallen von einer Leiter, Mauer oder einer anderen Erhöhung. Ebenerdig stürzen dagegen jedes Jahr mehr als 170’000 Menschen. Eine Erklärung dafür nennt der Experte für Unfallverhütung: «Wir halten uns länger auf der gleichen Ebene auf. Statistisch gesehen können dort mehr Unfälle geschehen, wo wir viel Zeit verbringen.» Zudem kommt es je nach Jahreszeit und Wetterverhältnissen vermehrt zu Unglücken. So erleiden mehr Personen im Winter rund ums Haus Stürze auf verschneiten Treppen oder rutschen auf vereisten Wegen aus. Zu den häufigsten Verletzungen nach Stürzen zählen Verletzungen am Kopf und Brüche. Stürze seien mit grossem Abstand, vor allem bei tödlichen Unfällen, der häufigste Unfallhergang. Denn im Alter nehmen Kraft und Gleichgewicht sowie Reaktionsfähigkeit ab. Insbesondere bei Hochbetagten setzt ein Sturz eine Negativ-Spirale in Gang. Kommt dann noch ein Oberschenkelhalsbruch als typische Folge dazu, verschlechtert sich deren Gesundheitszustand manchmal rapide, was schlussendlich oft zum Tod in relativ kurzer Zeit führt. «Zu den körperlichen Komplikationen kommt eine grosse psychische Belastung hinzu, die manche Betroffene aufgeben lässt», vermutet Kipfer. So registriert die BFU jährlich über 1700 Todesfälle als direkte Folge eines Sturzes.

Damit Sie den Halt nicht verlieren

Oftmals tappen wir nachts im Dunkeln in die Küche oder zum WC. «Ich  kenne ja meine Wohnung», so die landläufige Meinung. Zudem haben ältere Bewohner meist ein nicht genügend ausgeleuchtetes Heim oder lassen sich gar vom Licht blenden. Um dem Stürzen vorzubeugen ist eine gute Beleuchtung wichtig, auch im Keller, Estrich oder in einer Abstellkammer. An der Treppe empfiehlt der Experte für Unfallverhütung als wertvolles Hilfsmittel einen Handlauf. «Wir sprechen bewusst nicht nur von einem Geländer, sondern einem Handlauf.» Bei älteren Personen sollte dieser auf beiden Seiten montiert sein, damit er immer an der richtigen Stelle zur Hand ist. Die Stufen einer Treppe sollten zudem rutschfest sein, um auch bei Nässe guten Halt zu bieten. Eine Markierung der Vorderkanten ist sinnvoll, etwa mit rutschhemmendem Material oder einem kontrastreichen Aufkleber. Kipfer rät zudem: «Vermeiden Sie Stolperfallen im ganzen Haus!» So müssen Teppiche festgeklebt sein. Bereits ein Zentimeter reicht, dass wir straucheln. Denn der Mensch hebe beim Gehen den Fuss nicht allzu hoch an. «Räumen Sie auch alles weg, was an einem ungewohnten Platz liegt. Etwa die Spielsachen der Kinder oder den Besen.» Genau aus diesem Grund seien dann im Frühling wieder so viele Putzunfälle zu verzeichnen, wenn der Wassereimer oder das Staubsaugerkabel zur Stolperfalle werde. Stürze im Garten, wenn etwa im Herbst der Boden nass oder vom Nebel feucht ist, lassen sich mit rutschfesten Schuhen verhindern. Eine gute Vorbereitung lohnt sich. Falls Sie Bäume zurückschneiden müssen, improvisieren Sie nicht mit einer alten Holzleiter. Besser ist es, bereits im Vorfeld eine standfeste Klappleiter zu organisieren, die kippsicher ist.

Marc Kipfer, Mediensprecher, Beratungsstelle für Unfallverhütung BFU (zVg)

Insgesamt spiele die Verfassung eine wichtige Rolle bei Unfällen. Bricht sich ein 30- oder 40-Jähriger vielleicht nur das Handgelenk, kann ein vergleichbarer Sturz bei 80-Jährigen viel schwerwiegendere Folgen haben. Ob jemand einen Sturz noch auffangen kann, hängt mit der Muskelkraft, der körperlichen Beweglichkeit und dem Gleichgewichtssinn zusammen. Das alles verlieren wir im Alter. Im Umkehrschluss: Wir können es trainieren und uns so auf einen gesunden und möglichst langen Lebensabend vorbereiten, fügt Kipfer an. Auch den Geist zu trainieren, hilft laut Studien gegen Stürze. Senioren bleiben mental länger fit, wodurch sie einen Sturz eher abfangen können und die Folgen weniger schlimm ausfallen. (Mehr dazu in der Info-Box.)

Schneiden, verbrühen, ersticken

Pro Jahr ereignen sich in der Schweiz rund 56’000 Schnitt- und Stichverletzungen, die zweithäufigste Unfallart im eigenen Heim. Schneiden kann man sich nicht nur am Küchenmesser, sondern auch beim Wegräumen von Scherben. Auch Lebensmittel-Konservendosen bergen ein Risiko für Schnittverletzungen. Als Prävention empfiehlt hier die BFU das Zusammenkehren der grösseren Scherben sowie einen feuchten Lappen, damit winzige Glassplitter daran kleben bleiben.

Jährlich verletzen sich rund 4600 Personen, weil sie sich verbrennen oder mit heissem Wasser verbrühen. Das sind mehr als zehn der Versicherung gemeldete Unfälle pro Tag, am häufigsten durch Verbrühen. Ein Topf mit heissem Spaghetti-Wasser kann rasch zur Gefahr werden, wenn sich ein Kind versucht, am Pfannenstil hinaufzuziehen. So rät die Unfallverhütung, die Griffe immer nach hinten zu drehen und ein Herdschutzgitter zu montieren.

150 Menschen pro Jahr sterben, weil die Atmung verunmöglicht wird. Sie ersticken oder ertrinken. Während in der Badi oder in einem See Menschen aller Altersgruppen ertrinken, kommt tödliches Ersticken dagegen mit 70 Prozent der Fälle häufiger bei älteren Personen vor. Die plötzliche Atemnot beim Essen führt jährlich zu 120 Erstickungsunfällen. Dies fast ausschliesslich im häuslichen Umfeld. Kipfer erklärt diesen Umstand unter anderem damit, dass Bettlägerige nicht mehr in einer aufrechten Position essen können. Bei Kindern sind «nur» drei tödliche Erstickungsunfälle pro Jahr zu verzeichnen. Am gefährlichsten seien elastische Dinge wie eine Cherry-Tomate, welche die Atemwege verschliesst, fügt der BFU-Sprecher an

Und wie sieht der Experte die Unfallentwicklung während des Lockdowns? «Wir haben die Zahlen für dieses Jahr noch nicht bekommen, gehen aber stark davon aus, dass die Unfälle angestiegen sind», befürchtet Marc Kipfer.


Fit im Alter

Die Beratungsstelle für Unfallverhütung BFU hat zusammen mit der Pro Senectute und der Gesundheitsförderung Schweiz die Kampagne entwickelt «Sicher stehen, sicher gehen». Hier finden Sie Kurse und passende Übungen, um Gleichgewicht, Kraft und mentale Fitness zu trainieren:
www.sichergehen.ch

Weitere Tipps zur Unfallverhütung:
www.bfu.ch


Danica Gröhlich ist Redaktorin bei «gesundheitheute», der Gesundheitssendung am Samstagabend auf SRF1.
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