«Kaffee ist ohne schlechtes Gewissen geniessbar»

Von Christian Franzoso, 4. August 2020

Beliebter Wachmacher: Eine Tasse Kaffee als gesunder Genuss. (iStock)

Vom Saulus zum Paulus. Das Image von Kaffee hat sich massiv gewandelt: früher ein krankmachendes Suchtmittel – heute ein gesundes Lifestylegetränk.

Bis vor einigen Jahren hatte Kaffee zu Unrecht ein richtig schlechtes Image. Die Weltgesundheitsorganisation WHO führte Kaffee einst sogar als krebserregende Substanz auf. Mittlerweile hat die WHO diese Einstufung relativiert. Dank neuer Studien ist heute bekannt, dass sich Kaffee positiv auf die Gesundheit auswirkt. Prof. Dr. med. Thomas Rosemann, Leiter Institut für Hausarztmedizin der Universität Zürich, über den Zusammenhang zwischen Kaffee und Krebs, die Wirkung von Koffein und wieso ein Espresso weniger stark ist, als viele meinen.

Herr Professor Rosemann, Kaffee war ja des Teufels und sogar als krebserregend deklariert. Wieso?
Früher wurde Kaffee Zigaretten gleichgesetzt, da viele starke Kaffeetrinker auch starke Raucher waren. Studien zeigten vermeintlich, dass Kaffee negative Auswirkungen auf die Gesundheit habe. Doch die vermehrten Tumorfälle waren auf das Rauchen zurückzuführen und nicht auf den Kaffee. Über die Jahre hinweg hat sich Kaffee zum Genussmittel gewandelt, das positiv konnotiert ist und mit den unterschiedlichsten Kaffeesorten zelebriert wird. Als Kaffeeliebhaber empfinde ich das als eine sehr positive Entwicklung.

Verschiedene Studien belegen, dass drei bis vier Tassen Kaffee am Tag gut sind.
Ja, vier Tassen sind vergleichbar mit der gleichen Menge an Grüntee. Der Genuss ist unbedenklich, und der Effekt auf die Gesundheit ist der gleiche wie beim Grüntee.

Und wenn man mehr als vier Tassen trinkt?
Das schwächt die positive Wirkung ab. Es braucht jedoch einen exzessiven Kaffeekonsum, um ins Negative abzugleiten.

«Durch Kaffeekonsum ist das Risiko, an Alzheimer und Parkinson zu erkranken, niedriger.»

Die positiven Effekte schreibt man den Antioxidantien zu.
In der Tat. Durch das Kaffeetrinken reduziert sich beispielsweise das Risiko von Herz-Kreislauf-Problemen und Schlaganfällen um bis zu 15 Prozent. Und auch bestimmte Krebsarten treten weniger in Erscheinung.

Welche Krebsarten sind das?
Es gibt Hinweise, dass das Risiko, an Bauchspeicheldrüsen-, Leber- oder Darmkrebs zu erkranken, durch das Kaffeetrinken ein wenig reduziert wird. Und auch das Hautkrebsrisiko kann sinken – man sollte aber trotzdem nicht auf Sonnenschutz verzichten. Die positiven Wirkungen sind in Studien zwar nachweisbar, das sollte einen aber nicht davon abhalten, auch sonst auf die Gesundheit zu achten.

Ist es gesünder, schwächeren Kaffee zu trinken? Beispielsweise Filterkaffee statt Espresso?
Filterkaffee ist nicht schwächer als ein Espresso, sondern stärker. Erstaunlicherweise haben viele Menschen den Eindruck, ein Espresso wäre sehr stark. Sein Koffeingehalt ist jedoch niedriger als der von Filterkaffee.

Prof. Dr. med. Thomas Rosemann, PhD, Institut für Hausarztmedizin, Universität Zürich zVg)

Diese Annahme habe ich auch immer gemacht.
Abgesehen von der Kaffeesorte ist der Koffeingehalt sehr stark von der Kontaktzeit des Kaffees mit heissem Wasser abhängig. Wenn heisses Wasser schnell durch den Kaffee durchsickert, wird wenig Koffein ausgewaschen. Darum enthält ein Espresso weniger Koffein als ein Filterkaffee derselben Kaffeesorte. Wenn man sagt, man fühle sich sofort fit nach einer Tasse Espresso, dann ist das eine subjektive Wahrnehmung.

Wie lange dauert es tatsächlich, bis das Koffein seine Wirkung entfaltet?
In der Regel 30 bis 40 Minuten. So lange braucht es, bis es im Kopf angekommen ist. Bis es wieder abgebaut ist, dauert es im Mittel etwa vier Stunden.

Sollte man deswegen abends, vor dem Schlafengehen, auf einen Kaffee verzichten?
Es gibt grosse Unterschiede bei der Verstoffwechslung, also beim Abbau von Koffein. Darum sind pauschale Aussagen nicht möglich. Mein eigener Stoffwechsel zum Beispiel braucht länger, doch gibt es auch Menschen, die Koffein schneller abbauen. Diese Menschen können abends einen Kaffee trinken und trotzdem gut schlafen.

«Filterkaffee ist nicht schwächer als ein Espresso, sondern stärker.»

Entwässert zu viel Koffein den Körper?
Das Koffein wirkt harntreibend und wurde darum früher nicht als Flüssigkeit gezählt. Auf Intensiv- oder Überwachungsstationen zog man den Kaffee ab, wenn man bei Patienten die Flüssigkeit bilanzierte. Das hat sich geändert. Kaffee gilt heute als Flüssigkeit, so wie Wasser. Fakt ist: Er fördert zwar etwas den Harntrieb, aber nicht über alle Masse hinaus. Bier übrigens auch. Und es wird als Flüssigkeit gezählt.

Sollen Schwangere Kaffee trinken?
Sie sollten zurückhaltend sein mit koffeinhaltigem Kaffee, weil das Koffein durch die Plazenta aufs Kind übertragen wird und so zu einer Steigerung der Herzfrequenz des Fötus führen kann.

Welchen Einfluss hat das Koffein auf den Bluthochdruck eines Erwachsenen?
Man muss unterscheiden zwischen kurzfristigen und langfristigen Effekten. Das Koffein kann den Blutdruck kurzfristig erhöhen, diese Erhöhung ist klinisch jedoch nicht relevant – insbesondere nicht für regelmässige Kaffeekonsumenten. Über eine mittel- und langfristige Periode betrachtet geht man davon aus, dass Kaffee eine blutdrucksenkende Wirkung hat. Die Antioxidantien wirken sich positiv auf die Gefässverkalkung aus, denn die Gefässe werden erweitert, womit die blutdrucksenkende Wirkung überwiegt.

Welche Vorteile hat Filterkaffee gegenüber ungefiltertem Kaffee?
Im Filter werden Substanzen zurückgehalten, die dafür verantwortlich sind, dass das schlechte Cholesterin steigt. Ungefilterter Kaffee hingegen erhöht den Cholesterinspiegel. Doch diese Erhöhung ist vernachlässigbar, denn die antioxidativen Effekte überwiegen bei Weitem.

Kaffee soll auch gut gegen Alzheimer und Parkinson sein.
Ja, Beobachtungsstudien haben gezeigt, dass bei Kaffeekonsum das Risiko, an Alzheimer und Parkinson zu erkranken, niedriger ist, als wenn kein Kaffee getrunken wird.

Kaffee ist also nicht nur ein Genuss-, sondern auch ein Allzweckmittel?
Alle Daten, die wir aus der Wissenschaft haben, sagen aus, dass Kaffee mit hoher Wahrscheinlichkeit positive Auswirkungen auf die Gesundheit hat. Er reduziert manches Risiko, ersetzt aber kein Medikament. Was aber sicher ist: Kaffee ist ohne schlechtes Gewissen geniessbar.

Christian Franzoso ist Redaktor bei «gesundheitheute», der Gesundheitssendung am Samstagabend auf SRF1.
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