Wo wir das Glück finden

Von Danica Gröhlich, 8. Januar 2020

Wir müssen es nur sehen: Glück findet sich oftmals auch in kleinen Dingen. (iStock)

Was braucht ein Mensch, um glücklich zu sein? Dieser Frage geht der Basler Wissenschaftler Bruno S. Frey* seit vielen Jahren auf den Grund.

Ein glückliches neues Jahr, Herr Frey! Oder haben Sie Glück gar nicht mehr nötig?
Jeder Mensch hat Glück nötig! Vor allem, wenn es um die Gesundheit geht. Denn eine schwerwiegende Krankheit kann jedermann und jedefrau treffen. Deshalb habe auch ich Glück nötig.

Auf Ihrer eigenen Glücksskala von 0 bis 10: Wie glücklich sind Sie?
Nahe bei 10! Ich habe einen sehr schönen Beruf, der mir viele Freiheiten gibt, bei dem ich meine Gedanken ausbreiten kann und der mich originelle Sachen machen lässt. Ich habe ein schönes Familienleben, viele Freunde und Bekannte. Und ich bin im Moment zum Glück gesund.

Ist Glück denn messbar?
Ja, es ist erstaunlich gut messbar. Jeder Mensch hat zwar eine andere Vorstellung von Glück. Einige würden es auf der Skala eher bei 6 von 10 einschätzen. In der Schweiz jedoch haben wir eine höchst erfreuliche 8. Bei meinen Vorträgen frage ich immer, wie glücklich die Zuhörer sind. Das Ergebnis ist stets erstaunlich positiv. Denn am Morgen im Trämli sehen die meisten Leute nicht wirklich glücklich aus. Aber wir sind in einem Land, das uns ein gutes Leben ermöglicht. Verglichen mit anderen Ländern, in denen Krieg herrscht, sind wir bereits durch unsere Umgebung besser gestellt. Das wird geschätzt.

Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Bruno S. Frey, ständiger Gastprofessor Universität Basel (z.V.g.)

Was macht glücklich und warum?
Ich kann anhand meiner Forschung vier Faktoren ausmachen, die zum Glück der Menschen beitragen. Der erste Faktor ist materieller Wohlstand, also ein gutes Einkommen. Dass arme Leute glücklich sind, ist leider nur Romantik. Ein höherer Lohn garantiert ein sorgenfreieres Leben. Konkret, wenn die Waschmaschine kaputt ist, können wir sie reparieren lassen. Den zweiten Faktor bilden persönliche Beziehungen und soziale Vernetzung. Ein gutes Familienleben und der Austausch mit Freunden sowie Bekannten machen wirklich glücklich. Dann haben wir die Gesundheit, die physische und psychische. Als vierten Faktor kommt uns zugute, dass wir in einer Demokratie und Marktwirtschaft leben, die uns viel Freiheit lassen.

Dann macht Geld doch glücklich?
Ja, aber übertreiben darf man es nicht. Denn Glück nimmt nicht automatisch proportional mit mehr Geld zu. Wenn jemand zum Beispiel 80’000 Franken im Jahr verdient, dann bedeuten 20’000 Franken mehr auf dem Konto noch viel. Hat jemand dagegen bereits 300’000 Jahreslohn und bekommt dann ebenfalls 20’000 Franken, so macht das nicht viel mehr glücklich.

Welchen Stellenwert hat die Gesundheit?
Gesundheit ist für das Glück sehr wichtig. Bereits ein kleiner Unfall am Finger oder ein Hexenschuss beeinträchtigt den Alltag stark. Eine schlimme Diagnose bedeutet erst recht einen Einschnitt. Unsere Gesundheit hat auf die Lebenszufriedenheit einen längerfristigen Einfluss.

Ist die physische Gesundheit genauso wichtig wie die psychische?
Beides ist gleich wichtig. Das Mentale spielt aber dann eine wichtigere Rolle, wenn es darum geht, wie wir mit einer Krankheit umgehen. So können psychologische Einflüsse den physischen Zustand verbessern, aber auch verschlechtern.

Nicht nur die eigene Gesundheit spielt dabei eine Rolle.
Das stimmt. Wenn jemand anderer krank ist, belastet das ebenfalls. Familie und Freunde werden wertvoller, je älter man wird. Um einen herum sind viele krank und sterben. Meine Schwester starb vor anderthalb Jahren und soeben musste ich von einem guten Bekannten Abschied nehmen. Es ist tröstlich, sich daran zu erinnern, was die verstorbene Person mir beibrachte. So zu gedenken ist nicht nur Belastung, sondern kann auch Glück bringend sein. Die empirische Forschung zeigt zudem, dass religiöse Menschen mit ihrem Leben zufriedener sind, da sie Halt finden.

Sind wir in der Schweiz glücklicher, da wir eine gute Gesundheitsversorgung haben?
Das sollten wir tatsächlich praktisch sehen. Bereits in einem reichen Land wie etwa Deutschland muss eine Mutter mit ihrem angesteckten Kind stundenlang im Wartezimmer sitzen. Bei uns ist das hervorragend gelöst. Ich muss nur zwei oder drei Minuten beim Hausarzt warten. Dieser wirkt nicht gehetzt, ich kann Fragen stellen. Ich bin sehr zufrieden mit unserem System. Viele schauen mich verblüfft an, wenn ich sage, ich möchte nicht in Spanien oder Italien leben, sondern am liebsten in der Schweiz. Hier sind ich und die meisten Befragten einfach am glücklichsten. Der öffentliche Verkehr zum Beispiel in Italien funktioniert manchmal und manchmal nicht. Das Leben dort ist nicht nur lustig, auch wenn wir als Touristen nur die schönen Seiten sehen.

Gibt es Menschen, die kein Glück haben wollen, aus lauter Angst, sie könnten es verlieren?
Dieses Gefühl haben wir alle ein bisschen. Auch ich, als ich zu Beginn sagte, dass ich auf der Glücksskala nahe bei 10 sei. Aus Angst, dass unser Glück zurückgehen könnte, untertreiben wir und sagen: «Ja, geht so.» Wir dürfen aber durchaus zu unserem Glück stehen und es auch zeigen. Denn das ist ermutigend für andere. Wir sollten Zeit mit Menschen verbringen, die uns nicht ständig herunterziehen, sondern positiv durchs Leben gehen. Glück lässt sich teilen und vermehren. Teilweise ist Glück sogar vererbbar. Vergleicht man das Glücksniveau verschiedener Personen lassen sich rund 30 Prozent der Unterschiede auf genetische Faktoren zurückführen.

Können wir Glück dennoch lernen?
Glück kommt nicht von alleine. Ich kann am Morgen nicht aufstehen und sagen: «Jetzt will ich glücklich sein!» Denn man muss bereit sein, ein solches Glück zu empfangen. Und wir sollten wieder mehr, auch in den kleinen Dingen des Alltages, das Glück sehen. Zum Beispiel das Wetter – den blauen Himmel – wieder schätzen lernen. Auch ein schönes Gespräch am Telefon, wie wir es gerade führen, oder eine nette Begegnung, kann Glück bringen. Beides kann uns den ganzen Tag hindurchtragen…

 


Auf der Spur des Glücks

*Bruno S. Frey (78) ist einer der renommiertesten Ökonomen der Schweiz. Er ist als ständiger Gastprofessor an der Uni Basel tätig. Freys Spezialgebiet ist die Anwendung der Ökonomie auf nichtwirtschaftliche Bereiche. So forscht er seit gut einem Dutzend Jahre zum Thema Glück. Frey sagt: «Für mich als Volkswirtschaftler ist spannend, dass nicht nur das Materielle alleine fürs Glück wichtig ist, sondern durch verschiedene Faktoren wie Gesundheit bestimmt wird.» Das Glücksempfinden der Menschen erfasst er mit Umfragen. Hunderttausende weltweit geben dabei auf einer Skala von 0 bis 10 an, wie zufrieden sie sind. Die Schweiz und Skandinavien sind regelmässig Spitzenreiter des Glücks. Die USA, Frankreich, Deutschland oder Italien fallen hingegen deutlich ab.


Danica Gröhlich ist Redaktorin bei «gesundheitheute», der Gesundheitssendung am Samstagabend auf SRF1.
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