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Schweizer Familie

«Nur wenige Betroffene suchen sich Hilfe»

«Nur wenige Betroffene suchen sich Hilfe»

Interview Jeanne Fürst und Fabienne Eichelberger, 5. Juni 2025

(Symbolbild: iStock)

Eine Pornosucht kann das Leben von Betroffenen erheblich beeinträchtigen. Viele leiden besonders unter der Tabuisierung, sagt Psychologe Renanto Poespodihardjo.


Renanto Poespodihardjo, wie erkennt man eine Pornosucht?

Drei Kriterien müssen erfüllt sein: Die betroffene Person erleidet einen Kontrollverlust und schafft es nicht, den Pornokonsum zu reduzieren. Zweitens: die gedankliche Vereinnahmung – man ist ständig mit sexuellen Fantasien beschäftigt. Drittens muss ein Schaden vorliegen, etwa der Verlust des Berufs oder das Zerbrechen der Partnerschaft.

Renanto Poespodihardjo ist Psychologe an den Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel.

Wie viele Menschen sind pornosüchtig?
Das ist schwierig zu sagen, da die aktuelle Studienlage noch keine belastbaren Daten aufzeigen konnte. Zudem holen sich nur wenige Betroffene Hilfe. Pornosucht ist ein Tabu und schambehaftet. Und das, obwohl Pornos häufiger angeklickt werden als der Fahrplan der SBB. Die Anzahl der Behandlungen ist in den letzten Jahren aber gestiegen.

Was führt zu einer Pornosucht?
Einige Menschen kompensieren emotionale Belastungen mit Pornografie. Sie ist ständig verfügbar und kann als günstiges Betäubungsmittel dienen. Andere Betroffene kamen bereits früh mit Pornos in Kontakt, gewöhnten sich daran und benötigten immer mehr, um den gewünschten Effekt zu erzielen.

Wer ist gefährdet, eine Sucht zu entwickeln?
Pornografie ist ein psychoaktives Industrieprodukt, das sich hauptsächlich an Männer richtet. Sie sind deshalb häufiger süchtig als Frauen.

Wie wird eine Pornosucht behandelt? Der wichtigste Schritt ist, sich Hilfe zu holen und eine therapeutische Beziehung einzugehen. Dann sollten Gespräche geführt werden, in denen alle Empfindungen und Verhaltensweisen ausgesprochen werden können – ohne Bewertung seitens Patient oder Fachperson.

Was kann weiter getan werden, um eine Veränderung zu erreichen?
In Basel bieten wir eine stationäre Behandlung speziell für Menschen mit Pornosucht an. Betroffene profitieren von Einzelpsychotherapie, Ergo- und Kunsttherapie. Als besonders hilfreich empfinden viele die Gruppentherapie und den spontanen Austausch mit anderen in ähnlicher Situation.

Ist es das Ziel, dass Betroffene nie mehr Pornos schauen?
Das kann ein Ziel sein. Es gibt aber auch Menschen, die nicht ganz verzichten können und wollen und sich vornehmen, etwa keine Pornos mehr mit Gewalt oder Dominanz zu schauen. Wir erarbeiten gemeinsam Strategien, um dieses individuelle Ziel zu erreichen.

 

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