Interview Jeanne Fürst und Fabienne Eichelberger, 3. April 2025

Künstliche Intelligenz bringt in medizinischen Bereichen grossen Nutzen. Fachpersonen wird sie aber nicht ersetzen, sagt der Epidemiologe und KI-Experte Marcel Salathé.
Marcel Salathé, in welchem medizinischen Bereich ist künstliche Intelligenz aktuell besonders nützlich?
Vor allem bei der Auswertung von Bildern. Beispielsweise wird künstliche Intelligenz (KI) eingesetzt, um auf Röntgenbildern Tumore zu erkennen oder um Ultraschallbilder zu analysieren. Sie hilft, früh zu einer Diagnose zu gelangen.
Wo sehen Sie Potenzial für die Zukunft?
Ich setze grosse Hoffnung in die Sprach- und Textkompetenz künstlicher Intelligenz. Das Programm Chat-GPT kann Texte bereits sehr gut zusammenfassen und erklären. Das könnte genutzt werden, um Patientengespräche in zwei Versionen festzuhalten: eine in Fachsprache für Ärzte und Ärztinnen, die sich dadurch die Zeit fürs Schreiben eines Rapportes sparen können, und eine für den Patienten oder die Patientin in einer für Laien verständlichen Sprache. Viel Potenzial sehe ich auch bei der Prävention von Krankheiten.
Wie kann KI dabei helfen?
KI bietet die Möglichkeit, in Form einer App ständig eine Fachperson an der Seite zu haben. Sie kann auf persönliche Probleme eingehen und individuelle Tipps zur Ernährung und zu sportlichen Aktivitäten liefern. Dies könnte nicht nur die Lebensqualität erhöhen, sondern auch das Gesundheitssystem entlasten, indem Kosten für die Behandlung chronischer Erkrankungen gesenkt werden.
Welchen Nutzen bringt KI in der Forschung?
In der Forschung ist KI schon heute unverzichtbar. Sie hilft, Medikamente schneller und kostengünstiger zu entwickeln, indem sie Daten effizient auswertet und unter anderem auf Moleküle hinweist, die für die Bekämpfung bestimmter Krankheiten relevant sind.
Macht das Ärztinnen und Ärzte bald überflüssig?
Nein. Die Fachkräfte werden sich mit KI befassen müssen, aber die Technologie wird keine Menschen ersetzen. Geht es um unsere Gesundheit, möchten wir mit Menschen aus Fleisch und Blut sprechen. Auch operative Eingriffe kann man nicht allein Maschinen überlassen.
Welche Risiken birgt KI?
Ihr blind zu vertrauen. Es ist wichtig, die Systeme laufend zu prüfen und zu verbessern. KI sagt nicht von selbst: «Ich kann das nicht.» Sie ist darauf trainiert, Antworten zu liefern. Unsere Aufgabe ist es, diese zu hinterfragen. Wir dürfen aber nicht zu grosse Angst vor der Technologie haben und deshalb einen möglichen Fortschritt bremsen.