«Wie werden wir 100 Jahre alt?»

Interview Jeanne Fürst und Fabienne Eichelberger, 9. Januar 2025

(Symbolbild: iStock)

Von einem langen und gesunden Leben träumen wir alle. Die Altersforscherin Sabina Misoch sagt, welche Rolle die Gene spielen und weshalb die soziale Integration wichtig ist.

Sabina Misoch, bestimmen hauptsächlich unsere Gene, ob wir lange leben?
Davon ging man früher aus. Heute ist erwiesen, dass die Genetik unsere Lebenserwartung nur zu rund 20 Prozent beeinflusst. Zu 80 Prozent wird sie von äusseren Faktoren und unserem Lebensstil bestimmt – hier können wir viel bewegen.

Wo sollte man ansetzen?
Einen entscheidenden Einfluss auf unsere Gesundheit – und damit auf unsere Lebenserwartung – hat etwa die Ernährung. Forschungen an Tieren zeigten zudem, dass eine Kalorienrestriktion eine positive Wirkung hat. Das deckt sich mit der Philosophie der Menschen auf Okinawa, einer japanischen Insel, auf der besonders viele über 100-Jährige leben: Sie versuchen, nur so viel zu essen, bis sie zu 80 Prozent gesättigt sind. Weiter helfen Bewegung und guter Schlaf, aber auch die eigene Persönlichkeit ist wichtig.

Sabina Misoch ist Soziologin und Professorin für Altersforschung an der FH Bern.

Inwiefern?
Beispielsweise tragen ein hoher Grad an Gewissenhaftigkeit und ein tiefer Grad an Neurotizismus, also emotionaler Labilität, zur Langlebigkeit bei. Dies, weil gewissenhafte Menschen Regeln, die sie sich auferlegen – etwa täglich eine Stunde Bewegung – tatsächlich befolgen. Emotional stabile Menschen sind weniger von Ängsten und Unzufriedenheit betroffen. Dies muss aber noch weiter erforscht werden.

Sie haben sowohl auf Okinawa als auch in der Schweiz alte Menschen interviewt. Welche Parallelen stellten Sie fest?
Sie alle verbindet eine positive Lebenseinstellung. Diese scheint für ein langes und gesundes Leben entscheidend zu sein. Altern ist mit vielen Verlusten verbunden: Weggefährten sterben, und körperliche Gebrechen nehmen zu. Die Menschen, die ich befragte, gingen sehr gut damit um. Ebenfalls wichtig ist es, interessiert und engagiert zu bleiben. Auf Okinawa gibt es kein Verständnis von Pensionierung. Die Menschen auf dem Land gehen weiterhin ihren Tätigkeiten nach.

Weshalb ist das gut?
Es gibt ihnen das Gefühl, gebraucht zu werden und ein wichtiger Teil der Gesellschaft zu sein. Auf Okinawa haben die Menschen generationenübergreifend einen engen Zusammenhalt. Die soziale Integration stärkt die Älteren.

Welche weiteren Kraftquellen haben Sie ausgemacht?
Die Spiritualität oder Religiosität. Der Glaube, dass alles kommt, wie es kommen muss, oder Techniken wie Meditation können helfen, Stress abzubauen.

 

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