Interview Jeanne Fürst und Fabienne Eichelberger, 24. Oktober 2024
Menschen mit psychischen Erkrankungen fällt es nach einem Klinikaufenthalt schwer, in den Alltag zurückzufinden. Hausbesuche helfen, sagt Psychiater Jörg Eysell.
Jörg Eysell, für wen kommt das Angebot des Home Treatment in Frage?
An den Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel wird es beim Austrittsgespräch erwachsenen Patientinnen und Patienten angeboten. Die Diagnose spielt keine Rolle, und die Betroffenen entscheiden freiwillig, ob sie unser Angebot nutzen möchten. Die einzige Voraussetzung ist, dass sie im Kanton Basel- Stadt wohnen. Andere Kantone haben ähnliche Programme.
Was beinhaltet das Home Treatment?
Es ist eine Überbrückung nach einem stationären Klinikaufenthalt. Ein Team aus Ärztinnen, Pflegenden und Mitarbeitenden aus dem Sozialdienst hilft den Betroffenen, im Alltag wieder Fuss zu fassen und Krisen abzuwenden oder zu bewältigen.
Wie geschieht das?
Die meisten werden von unseren Mitarbeitenden, die sie auf der Station kennengelernt haben, besucht. Sie helfen ihnen integriert psychiatrisch-psychotherapeutisch, eine Tagesstruktur zu finden, und begleiten sie zu Terminen. Ist der Papierberg gross oder droht die Kündigung der Wohnung, kommt der Sozialdienst zum Einsatz.
Das heisst, die Patientinnen und Patienten bestimmen den Ablauf der Treffen?
Im Grunde schon. Schämen sie sich etwa für ihre unaufgeräumte Wohnung, können sie mit den Betreuenden auch spazieren gehen. Erwarten sie aber, dass wir für sie haushalten, sagen wir Nein. Wir nehmen ihnen nicht lästige Dinge ab, sondern bieten Hilfe zur Selbsthilfe. Durch die enge Begleitung können wir bei einer Verschlechterung des Zustands rasch intervenieren.
Wie lange dauert die Begleitung?
Wir haben zwei unterschiedliche Angebote: War jemand wegen einer einmaligen Krise bei uns, ist ansonsten aber stabil, bieten wir eine Übergangsbehandlung an. Die ist auf 90 Tage begrenzt. War jemand innerhalb der letzten beiden Jahre häufig in stationärer Behandlung, bieten wir ein unbefristetes Home Treatment an.
Welche Erfolge wurden dank des Home Treatment erzielt?
Wir konnten Wiedereintritte abwenden und dadurch Pflegetage und Kosten einsparen. Bei den Menschen, die eine Übergangsbehandlung in Anspruch nahmen, fielen 36 Prozent weniger Behandlungstage auf der Station an als bei Menschen mit einem ähnlichen Gesundheitszustand, aber ohne Home Treatment. Bei jenen, die langfristig begleitet wurden, waren es sogar 40 Prozent weniger. Auch die Anzahl fürsorgerischer Unterbringungen konnten wir stark senken.