«Im Alter wird öfter täglich getrunken»

Interview Jeanne Fürst und Fabienne Eichelberger, 3. Oktober 2024

(Symbolbild: iStock)

Rund 300 000 Menschen sind hierzulande von Alkohol abhängig. Weit mehr pflegen einen riskanten Konsum. Experte Sven Anders zeigt auf, wie eine Sucht verhindert werden kann.

Sven Anders, in welcher Altersgruppe sind Probleme mit Alkohol besonders verbreitet?
Es gibt zwei Formen von risikoreichem Konsum: das episodische Rauschtrinken und den chronisch risikoreichen Konsum. Rauschtrinken betrifft vor allem die jüngere Generation. Mit zunehmendem Alter wird jedoch öfter täglich getrunken. Ab 65 Jahren tun das 20 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer, ab 75 sogar 25 Prozent.

Sind diese Menschen alkoholabhängig?
Nicht zwingend. Eine Abhängigkeitserkrankung liegt vor, wenn mindestens drei der folgenden Kriterien im letzten Jahr zutrafen: 1. Ein Kontrollverlust über den Konsum. 2. Ein starkes Verlangen nach Alkohol. 3. Eine Toleranzentwicklung. 4. Entzugssymptome. 5. Die Gedanken drehen sich ständig um den Konsum. 6. Der Konsum wird trotz schädlicher Folgen fortgesetzt.

Sven Anders ist Leiter der Zürcher Fachstelle zur Prävention des Suchtmittelmissbrauchs (ZFPS).

Weshalb greifen ältere Menschen öfter zu Alkohol?
Die Gründe sind individuell. Einerseits haben sie mehr Zeit für gesellige Anlässe, bei denen schon mittags getrunken wird. Gleichzeitig besteht im Alter ein höheres Risiko für Einsamkeit. Vielleicht fehlen die sozialen Kontakte aus dem Berufsleben, der Partner oder die Partnerin ist gestorben, oder man musste den Wohnort verlassen. Da kann Alkohol ein Trostspender sein – allerdings löst er die Probleme nicht.

Wie kann verhindert werden, dass man in eine Abhängigkeit rutscht?
Indem man sich über risikoreichen und -armen Konsum informiert und das eigene Verhalten reflektiert. Kommt man zum Schluss, zu viel zu trinken, kann man versuchen, den Konsum zu reduzieren. Etwa, indem man zu alkoholfreien Alternativen greift, von denen es eine immer breitere Palette gibt. Oder man setzt sich vor einem Anlass eine Grenze, wie viel man trinken möchte. Der Konsum wird zudem kontrollierbarer, wenn man nach jedem alkoholischen zu einem alkoholfreien Getränk greift.

Falls dies nicht gelingt: Holen sich ältere Menschen rasch Hilfe?
Leider selten. Für viele sind Suchtprobleme ein Tabuthema. Umso wichtiger ist es, dass das Umfeld genau hinschaut.

Wie erreichen Fachstellen gefährdete Seniorinnen und Senioren?
Wir versuchen, Gemeinden, Ärztinnen, Apotheker und Pflegende zu sensibilisieren, erstellen Infomaterialien, organisieren Veranstaltungen und klären Alters- und Pflegeinstitutionen darüber auf, wie sie risikoreichen Konsum frühzeitig erkennen und entsprechend handeln können.

 

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