Interview Jeanne Fürst und Fabienne Eichelberger, 26. September 2024
Fünf von hundert Menschen haben in ihrem Leben ein Karpaltunnelsyndrom. Die Erkrankung stört vor allem nachts, lässt sich aber gut behandeln, sagt die Handchirurgin Lisa Reissner.
Lisa Reissner, mit welchen Symptomen zeigt sich das Karpaltunnelsyndrom?
Typisch ist ein nächtliches Kribbeln in den Fingerspitzen, das verschwindet, wenn man die Hand schüttelt. Dazu kommt es, weil wir im Schlaf häufig die Embryostellung einnehmen. In dieser rollt man sich zusammen und beugt das Handgelenk maximal.
Warum führt das zu Kribbeln?
Durch die Beugung des Handgelenks nimmt der Querschnitt des Karpalkanals ab. Durch ihn verlaufen die Beugesehnen und der Nervus medianus, der Daumen, Zeigefinger, Mittelfinger und die Hälfte des Ringfingers versorgt. Die maximale Beugung, aber auch eine entzündete Beugesehne oder ein Knochenbruch können den Platz des Nervus medianus einschränken und die Durchblutung vermindern, was das Kribbeln verursacht.
Und das tritt immer nachts auf?
Nein, zum Beispiel auch beim Velofahren – immer dann, wenn das Handgelenk maximal gebeugt oder gestreckt wird. Die Krankheit kann zudem fortschreiten. Mit der Zeit bleibt das Kribbeln länger bestehen. Es kann zu Taubheitsgefühlen und zur Rückbildung von Anteilen der Daumenballenmuskulatur kommen.
Wer ist betroffen?
Besonders oft sind es Frauen nach der Menopause. Der Grund könnte eine veränderte Hormonkonstellation sein. Wissenschaftlich bewiesen ist das aber noch nicht.
Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
Mit einer Schiene kann das Handgelenk in der Nacht in einer neutralen Position fixiert werden. Verschwinden die Beschwerden dadurch nicht, ist eine weitere Abklärung ratsam.
Was wird bei einer Operation gemacht?
Das Karpalband wird durchtrennt, wodurch der Nervus medianus wieder mehr Platz erhält und besser durchblutet wird. Es handelt sich dabei um einen sehr häufigen kleinen Eingriff mit grosser Wirkung. Er wird in vielen Kliniken unter lokaler Betäubung durchgeführt und dauert etwa zehn Minuten.
Sind die Betroffenen danach beschwerdefrei?
In der Regel schon. Das Kribbeln verschwindet direkt nach dem Eingriff, und Komplikationen sind extrem selten. Wir empfehlen den Patientinnen und Patienten, das Handgelenk anschliessend zwei Wochen mit einer Schiene ruhig zu stellen. Ausserdem ist die Haut an der Handinnenfläche derber als an anderen Stellen. Es ist deshalb wichtig, die Narbe regelmässig zu massieren, damit sie weicher wird und sich bei starkem Druck nicht unangenehm anfühlt. ■