«Müdigkeit sieht man Betroffenen nicht an»

Interview Jeanne Fürst und Fabienne Eichelberger, 29. August 2024

(Symbolbild: iStock)

Im Alltag schränkt Long Covid Erkrankte stark ein. Wichtig ist, dass sie mit ihrem Leiden einen guten Umgang finden, sagt die Neurologin Margret Hund-Georgiadis.

Margret Hund-Georgiadis, Long Covid kann sich mit über 200 verschiedenen Symptomen zeigen. Welches sind die häufigsten?
Betroffene klagen oft über Fatigue – chronische Müdigkeit – sowie Kopf- und Gliederschmerzen. Weitere häufige Symptome sind Fieber, Halsund Bauchschmerzen. Ausserdem mündet die Fatigue nach einer Anstrengung oft in einem sogenannten Crash.

Was ist damit gemeint?
Im Grunde ein innerlicher Zusammenbruch, den man den Betroffenen nicht ansieht. Sie haben keine Energie mehr und müssen sich zurückziehen. Betroffene sagen oft, sie fühlten sich dann, als würden sie eine Tonne wiegen und könnten sich keinen Millimeter mehr bewegen. Auch geistig sind sie in diesen Momenten völlig erschöpft.

Margret Hund-Georgiadis ist Chefärztin und medizinische Leiterin am Rehab Basel.

Ab welcher Dauer spricht man von Long Covid?
Gemäss der Weltgesundheitsorganisation (WHO) leidet man an Long Covid, wenn man nach einer Corona-Infektion länger als vier Wochen Symptome hat, die nicht durch andere Erkrankungen erklärbar sind. Halten die Symptome länger als drei Monate an, bezeichnet man dies als Post Covid.

Gibt es Menschen, die ein besonders hohes Risiko haben, an Long Covid zu erkranken?
Auffällig oft sind leistungsorientierte Frauen zwischen 20 und 45 betroffen, die ihre Tage in gesunden Zeiten komplett verplant haben. Auch Menschen, die früher bereits eine psychologische oder psychiatrische Behandlung benötigten, sind überdurchschnittlich häufig betroffen. Zudem haben Menschen mit einem schweren Covid-Verlauf ein erhöhtes Risiko, an Long Covid zu erkranken.

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
Im Rehab Basel arbeiten wir nach einem speziellen Lernprogramm, das auf drei Prinzipien beruht: In der Ergotherapie befassen sich Betroffene mit dem Energiemanagement. Sie lernen, wo sie im Alltag viel Energie brauchen und wie sie den Verbrauch reduzieren können. In der Achtsamkeitsgruppe liegt der Fokus darauf, sich bewusst zu werden, wozu der Körper trotz Symptomen fähig ist. Die Bewegungstherapie dient dazu, trotz Fatigue körperliche Aktivitäten in den Alltag einzubauen.

Kommen auch Medikamente zum Einsatz?
Ja. Je nach Symptomen werden Antidepressiva, Antiallergika oder Schmerzmedikamente verschrieben. Eine Pille gegen Long und Post Covid gibt es nicht. Der Weg zurück in ein normales Leben ist sehr anstrengend.

 

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