Interview Jeanne Fürst und Fabienne Eichelberger, 27. Juni 2024

Die trockene Makuladegeneration führt zu Seheinschränkungen – aber selten zum Erblinden. Wichtig ist, wie Betroffene damit umgehen, sagt der Augenarzt Justus Garweg.
Justus Garweg, weshalb wird die Sehkraft im Alter schlechter?
Je älter wir werden, desto weniger gut kann sich das Auge an Lichtwechsel anpassen, und das Kontrastsehen wird schlechter. Das ist ein physiologischer Prozess. Unter anderem nimmt die Dichte der Fotorezeptoren auf der Netzhaut ab, die Lichtreize in Nervenimpulse umwandeln.
Viele ältere Menschen leiden zudem an einer trockenen Makuladegeneration.
Abgesehen vom natürlichen Alterungsprozess ist diese Krankheit die häufigste Ursache für einen Sehverlust im Alter. Sie bleibt lange asymptomatisch, und erst im Spätstadium kommt es zu einem deutlichen Sehverlust. Es handelt sich dabei um eine Störung des Stoffwechsels der Netzhaut, die dazu führt, dass lichtempfindliche Zellen über das normale Mass hinaus abnehmen.

Wer ist gefährdet, an trockener Makuladegeneration zu erkranken?
Der grösste Risikofaktor ist das Alter. Zudem ist die Krankheit oft genetisch bedingt. Ein hoher Blutdruck, Rauchen und ungesunde Ernährung erhöhen das Risiko weiter.
Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
Vitaminsupplemente wie Lutein, Zeaxanthin und Zink können das Fortschreiten der Krankheit verzögern. Ist sie bereits fortgeschritten und leiden die Betroffenen unter der sogenannten geografischen Atrophie, kann sie nicht geheilt, aber die Verschlechterung gebremst werden.
Was ist eine geografische Atrophie?
Ein Spätstadium der Makuladegeneration. Dabei entstehen Flecken im Zentrum der Netzhaut, auf denen kein Sehpigment mehr vorhanden ist.
Wie kann der Verlauf verzögert werden?
Mit Medikamenten lässt sich das Fortschreiten grundsätzlich um 20 bis 30 Prozent verlangsamen. Dafür ist eine Injektionstherapie mit Spritzen ins Auge erforderlich, die in der Schweiz bis jetzt noch nicht zugelassen ist. Ausserdem zeigen erste Studien, dass eine Lichttherapie die Krankheit möglicherweise nicht nur verzögern, sondern aufhalten könnte. Momentan wird auf vielen Ebenen geforscht.
Führen die trockene Makuladegeneration und die geografische Atrophie zum Erblinden?
Nein, zu einer massiven Seheinschränkung, aber nicht zum Erblinden. Die Betroffenen müssen in der Regel keine Angst vor dem Verlust der Selbständigkeit haben. Entscheidend ist, wie sie mit der Krankheit umgehen. Es gibt Hilfsmittel wie Leuchtlupen oder Spezialbrillen, die eine gute Lebensqualität ermöglichen. Zudem können sich Betroffene bei verschiedenen Sehbehinderten-Organisationen beraten lassen.