«Austausch unter Betroffenen kann heilsam sein»

Interview Jeanne Fürst und Fabienne Eichelberger, 20. Juni 2024

(Symbolbild: iStock)

Manche psychische Krisen sind so belastend, dass sie einen Aufenthalt in einer Klinik erfordern. Das Therapieangebot ist intensiv und vielfältig, sagt die Psychiaterin Beate Immel.

Beate Immel, wann ist eine stationäre Behandlung in einer Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie nötig?
Wenn jemand so schwer erkrankt, dass er seinen Alltag zu Hause nicht mehr bewältigen kann, die Symptome zu belastend sind und in der ambulanten Therapie keine ausreichende Verbesserung erzielt wird. Der Genesungsprozess kann in einem herausfordernden Familienumfeld, etwa mit kleinen Kindern, erschwert sein. Dann ist räumlicher Abstand hilfreich und nötig.

Beate Immel ist Stellvertretende Chefärztin der Klinik Schützen in Rheinfelden AG.

An welchen Krankheiten leiden Ihre Patientinnen und Patienten?
Ein Teil unserer Patientinnen und Patienten leidet an depressiven oder Stressfolge-Erkrankungen, an Angst-, Schmerzoder Essstörungen. Andere entwickeln eine Belastungsstörung – beispielsweise nach einem Verlust oder nach einer schweren körperlichen Erkrankung. Der Eintritt in unsere Klinik findet geplant, freiwillig und in Absprache mit dem Patienten statt. Für Menschen in akuten Krisensituationen sind wir daher kein geeigneter Ort.

Wie lange dauert ein stationärer Aufenthalt?
Meist vier bis sechs Wochen. Danach folgt eine ambulante Weiterbehandlung, um das Erlernte zu festigen und zu vertiefen.

Welches sind die Vorteile einer stationären Behandlung?
Es ist die Mischung aus höherer Therapiedichte und einem intensiven Fokus auf die Behandlung. In einer sicheren, geschützten, zur Veränderung ermutigenden Atmosphäre entsteht ein Lern- und Übungsfeld. Der bereichernde Austausch mit anderen Betroffenen und das Gemeinschaftsgefühl, das sich während des Aufenthaltes entwickelt, sind ebenfalls zentral für den Genesungsprozess.

Trotzdem haben viele Menschen gegenüber Gruppentherapien grosse Vorbehalte.
Stimmt, das erleben wir immer wieder. Die Betroffenen können sich nicht vorstellen, mit anderen über ihre Probleme zu sprechen, oder denken, sie würden es nicht ertragen, deren Leid anzuhören. Doch genau darum geht es: mit Unterstützung zu lernen, Empathie aufzubringen, sich aber auch abgrenzen können.

Welche weiteren Therapien bieten Sie an?
Abgesehen von Psychotherapien im Einzel- und Gruppensetting gibt es unter anderem körperbezogene Therapien, Kreativtherapien, Musik- und Aromatherapie. Das Programm wird möglichst individuell auf die Patientinnen und Patienten abgestimmt. Es geht nicht darum, Leistung zu erbringen, sondern sich für Erfahrungen und positives Erleben zu öffnen.

 

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