«Die meisten erholen sich sehr schnell»

Interview Jeanne Fürst und Danica Gröhlich, 15. Oktober 2020

(pixabay)

Eine Kalkschulter ist schmerzhaft und kann das Leben stark einschränken. Doch die Chancen auf eine Heilung sind sehr gut, sagt der Schulterspezialist Karl Wieser.

Herr Wieser, wie entsteht eine Kalkschulter?
Die Entwicklung einer Kalkschulter, in der Fachsprache Tendinitis calcarea, ist nicht abschliessend geklärt. Man geht von einem chronisch entzündlichen Prozess mit einer Abnutzung der betroffenen Sehnen aus. Dabei kommt es zu einer Minderdurchblutung und zu Umbauprozessen des Sehnengewebes mit begleitenden Kalziumeinlagerungen. Solche einzelnen oder auch mehrere Kalkdepots finden sich in den Sehnen des Oberarmkopfes der Schulter, der Rotatorenmanschette. Sie sind wenige Millimeter bis einige Zentimeter gross. Dies kann gleichzeitig oder verzögert in beiden Schultern auftreten.

Wer ist vor allem betroffen?
Die Erkrankung kann grundsätzlich bei Männern und Frauen jeder Altersgruppe auftreten, vermehrt jedoch bei Frauen zwischen dem 40. und 50. Lebensjahr. Weshalb, ist noch unklar.

Wie schmerzhaft ist das?
Kleinere Kalkablagerungen bleiben zunächst oft unbemerkt. Wachsen sie jedoch, können sie aufgrund der eingeschränkten Platzverhältnisse zu zunehmenden Beschwerden führen, vor allem bei Überkopfarbeiten wie beim Streichen von Wänden oder wenn man etwas aus dem Regal hebt. Ein plötzliches Lösen der Verkalkungen kann eine massive Entzündungsreaktion im darüberliegenden Schleimbeutel mit stechenden Schmerzen in der Schulter bewirken.

Karl Wieser, Leiter Schulter- und Ellbogenchirurgie, Klinik Balgrist

Wie stellen Sie die Diagnose?
Die Diagnose kann recht einfach anhand eines normalen Röntgenbildes gestellt werden. Weiter gehende Untersuchungen mittels Ultraschall oder MRI dienen zur Abklärung möglicher zusätzlicher Schädigungen oder Verletzungen sowie zur Operationsplanung.

Muss eine Kalkschulter immer operiert werden?
Primär werden solche Verkalkungen, wenn immer möglich, konservativ behandelt. Entzündungshemmende Medikamente oder Infiltrationen mit sogenannten Kortikosteroiden können hierbei sehr wirksam sein. Die meisten Verkalkungen lösen sich dann mit der Zeit selbstständig auf, gegebenenfalls kann dies durch eine Stosswellentherapie unterstützt werden. Nur bei andauernden Beschwerden können wir diese Verkalkungen unter Zuhilfenahme einer kleinen Kamera in sogenannter arthroskopischer bzw. der «Knopflochtechnik» entfernen. Es bleiben kaum sichtbare Narben zurück.

Dann sieht die Prognose grundsätzlich gut aus?
Auf jeden Fall. Die meisten Patienten können wir sehr erfolgreich konservativ behandeln. Die wenigen, die operiert werden müssen, haben dann aber glücklicherweise meist einen unkomplizierten Verlauf mit schneller Erholung. Ein Wiederauftreten ist sehr selten.

 

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