«Wir brauchen jetzt fundierte Fakten»

Interview Jeanne Fürst und Danica Gröhlich, 1. Oktober 2020

Noch weiss man wenig über die Langzeitfolgen von Covid-19. Die Lungenspezialistin Manuela Funke-Chambour sagt, womit einige Patienten lange zu kämpfen haben.

Frau Funke-Chambour, welche Langzeitschäden nach Covid-19 sind bislang bekannt?
Wir sehen, dass einige Patienten lange brauchen, um wieder auf die Beine zu kommen. Sie leiden unter Müdigkeit und eingeschränkter Leistungsfähigkeit. Der Sauerstoff wird nicht mehr so gut aufgenommen, da teilweise die Lungen vernarben können. Je schwerer der Verlauf, desto länger dauert der Erholungsprozess. Schwere Fälle sind solche, die auf der Intensivstation liegen und künstlich beatmet werden müssen. Aber auch Personen mit leichteren Verläufen, die zu Hause bleiben konnten, kämpfen zum Teil mit Folgen.

Wer gehört zur Risikogruppe?
Faktoren wie höheres Alter, Übergewicht oder Rauchen werden bei komplizierten Verläufen mit Schäden an der Lunge beobachtet. Vereinzelt trifft es aber auch Jüngere ohne Vorerkrankung schwer. Zum Beispiel sportliche 30-Jährige, die wir intubieren und künstlich beatmen mussten. In unserer laufenden Studie konzentrieren wir uns auf 130 Patienten mit schwerem Verlauf nach Covid-19, die zum Teil noch Beschwerden haben.

Haben diese Patienten nach drei oder sechs Monaten noch Anzeichen?
Ja, erste Daten deuten darauf hin. Und deshalb sollte man sich unbedingt vor Covid-19 schützen!

Manuela Funke-Chambour, Leitende Ärztin Pneumologie, Inselspital Bern

Kennen Sie vergleichbare Krankheiten?
Wir sehen bei den Risikofaktoren Parallelen zur idiopathischen Lungenfibrose, bei der die Lunge vernarbt. Bezüglich der viralen Infekte gleicht Covid-19 nicht der gewöhnlichen Grippe. Auch eine Grippe kann die Lungenzellen schädigen. Sie heilt in der Regel aber besser wieder ab. Selbst schwer Grippekranke sind spätestens nach ein bis zwei
Monaten wieder fit. Nach Covid-19 dauert die Erholung viel länger. Es ist kein banaler Infekt, der immer ausheilt: CoronaKranke leiden länger. Deshalb versuchen wir die Folgen zu verstehen und eine Therapie zu finden.

Momentan können Sie Corona-Langzeitfolgen noch nicht behandeln?
Leider nicht. Es gibt verschiedene medikamentöse Möglichkeiten, zum Beispiel Antifibrotika, mit denen wir Vernarbungsprozesse verlangsamen können. Oder Entzündungshemmer wie Kortison, die gegebenenfalls eine Vernarbung verhindern. Aber die erste Frage ist: Gehen die Beschwerden nach 12 Monaten von alleine wieder weg, oder braucht es eine Therapie?

Ihre Prognose?
Ob alle Patienten nach einer Covid-19-Erkrankung wieder ganz gesund werden, wissen wir noch nicht. Dafür benötigen wir nochmals sechs Monate. Ich hoffe es natürlich, weiss es aber nicht. Wir brauchen jetzt alle einen kühlen Kopf und fundierte Fakten.

 

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