«Tiere lenken vom Negativen ab»
Interview Jeanne Fürst und Fabienne Eichelberger, 11. Dezember 2025
(Symbolbild: iStock)
Tiere haben eine beruhigende Wirkung auf Menschen. Dieser Effekt kann bei Krankheiten wie Depressionen und Angststörungen helfen, sagt die Psychiaterin Undine Lang.

Undine Lang, Direktorin der Klinik für Erwachsene an den Psychiatrischen Kliniken Basel.
Undine Lang, wie verläuft eine tiergestützte Therapie?
Patientinnen und Patienten treten mit Tieren in Kontakt, gehen mit ihnen spazieren, streicheln sie oder übernehmen Aufgaben, wie den Stall auszumisten. Anschliessend wird das Erlebte mit einer Therapeutin oder einem Therapeuten besprochen.
Bei welchen Krankheiten kommt sie zum Einsatz?
Bei verschiedenen psychischen Erkrankungen wie Depressionen, Psychosen und auch bei Angststörungen.
Weshalb hilft der Kontakt mit Tieren Menschen mit psychischen Problemen?
Tiere haben keine Vorurteile und bewerten nicht. Ausserdem müssen die Patientinnen und Patienten im Umgang mit ihnen komplett im Hier und Jetzt sein. Das lenkt von negativen Gedanken ab. Weiter spiegeln Tiere das eigene Auftreten. Oft verhalten sich Menschen in der Interaktion mit Tieren anders, weil sie merken, wie die Tiere auf sie reagieren. Das kann sich positiv auf das Sozialverhalten und die Kommunikationsfähigkeit auswirken.
Welche Tiere werden eingesetzt?
Hunde und Katzen sind gut geeignet, weil sie in der Regel stubenrein sind. Aber wir arbeiten auch mit Geissen, Schafen, Kaninchen, Meerschweinchen und Hühnern – je nach Vorliebe des Patienten oder der Patientin.
Gibt es Studien, die den positiven Einfluss von Tieren auf die Psyche bestätigen?
Ja, diverse. Es wurde zum Beispiel nachgewiesen, dass durch den Kontakt mit Tieren das Bindungshormon Oxytocin vermehrt ausgeschüttet wird, während der Level des Stresshormons Cortisol sinkt – Tiere können also beruhigend wirken. Weitere Untersuchungen zeigen, dass Patientinnen und Patienten in Kliniken zufriedener sind, wenn auf den Stationen Katzen leben, und Menschen in Altersheimen seltener Depressionen entwickeln, wenn sie regelmässig Besuch von einem Hund bekommen.
Wie wird das Tierwohl gewahrt?
Das hat höchste Priorität. Wir achten darauf, dass die Tiere Auszeiten haben und nicht überfordert werden. In der Regel haben sie aber selbst Freude an der Therapie. Ich höre etwa jeweils die Geissen reklamieren, wenn sie länger nicht für einen Spaziergang abgeholt wurden.
Wo liegen die Grenzen der tiergestützten Therapie?
Sie ersetzt natürlich keine herkömmliche Psychotherapie, und für Menschen, die Angst vor Tieren haben, ist sie überhaupt nicht geeignet.



