«Meist lösen sich Verkalkungen auf»
Interview Jeanne Fürst und Fabienne Eichelberger, 16. Oktober 2025

(Symbolbild: iStock)
Eine Kalkschulter bleibt oft unbemerkt– bis sie starke Schmerzen verursacht. Eine Operation ist jedoch selten nötig, sagt der Chirurg Karl Wieser.
Karl Wieser, wie kommt es zu Verkalkungen in der Schulter?
Kalkeinlagerungen entstehen, wenn die Sehnen der Rotatorenmanschette – einer Muskelgruppe, die das Schultergelenk umfasst – schlecht durchblutet werden. Ursachen sind Überlastung, kleine Verletzungen, Verschleiss oder Stoffwechselstörungen. In der Folge kommt es im betroffenen Gewebe zu einem chronischen Entzündungszustand, und Kalziummoleküle werden abgelagert.

Karl Wieser ist Leiter Schulter- und Ellbogenchirurgie an der Uniklinik Balgrist.
Wie schnell kommt es zu diesen Ablagerungen?
Man geht von einem langsamen Prozess aus. Da man die Ablagerungen erst bemerkt, wenn sie vorhanden sind, lässt sich das Tempo nicht genau feststellen. Oft entdeckt man sie nur zufällig.
Wie verbreitet sind Kalkschultern?
Etwa fünf bis zehn Prozent der Bevölkerung entwickeln im Lauf ihres Lebens eine Kalkschulter. Allerdings verursacht nicht jede Verkalkung Beschwerden.
Wer ist besonders gefährdet?
Die Erkrankung tritt meist zwischen 30 und 50 Jahren auf, bei Frauen doppelt so häufig wie bei Männern. Risikofaktoren sind Tätigkeiten mit erhobenen Armen, Sportarten wie Volleyball oder Schwimmen, Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes sowie familiäre Veranlagung.
Welche Folgen haben die Verkalkungen?
Sie können die Sehnen verdicken und eine Einklemmung in der Schulter verursachen. Das führt zu Schmerzen und eingeschränkter Beweglichkeit. Häufig entsteht zudem eine schmerzhafte Schleimbeutelentzündung.
Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
Zunächst erfolgt eine konservative Behandlung mit schmerzund entzündungshemmenden Medikamenten. Manchmal wird Kortison in den Schleimbeutel gespritzt. In den meisten Fällen lösen sich die Verkalkungen dadurch von selbst auf.
Und wenn das nicht geschieht?
Dann kann eine Stosswellentherapie die Auflösung des Kalkdepots und die Heilung beschleunigen. SeltenmussdasKalkdepot minimalinvasiv operativ aus den Sehnen entfernt werden.
Wie gross ist die Gefahr, dass die Verkalkungen zurückkommen?
Das Rückfallrisiko ist gering, vor allem wenn sich die Verkalkungen vollständig aufgelöst haben oder operativ entfernt wurden. Dennoch können sie bei einzelnen Betroffenen erneut auftreten – abhängig von Veranlagung und Risikofaktoren.