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Schweizer Familie

«Es ist wichtig, die Psyche zu stärken»

«Es ist wichtig, die Psyche zu stärken»

Interview Jeanne Fürst und Fabienne Eichelberger, 11. September 2025

(Symbolbild: iStock)

Halten Schmerzen länger als drei Monate an, gelten sie als chronisch. Die Psychiaterin Katharina Gessler erklärt, wie sie die Persönlichkeit beeinflussen und was Betroffenen helfen kann.

Katharina Gessler, wie wirken sich chronische Schmerzen auf einen Menschen aus?
Zu Beginn sind akute Schmerzen oftmals beängstigend, und man versucht, sie mit Medikamenten in den Griff zu bekommen. Bleibt die Wirkung aus, verändert sich die emotionale Lage oft: Die Angst kann in Hoffnungslosigkeit übergehen.

Katharina Gessler, Direktorin der Klinik Schützen in Rheinfelden AG.

Welche Verhaltensweisen sind bei chronischen Schmerzen typisch?
Die einen fürchten, den Schmerz durch Aktivitäten zu verstärken, und schonen sich. Sie versuchen etwa gar nicht mehr, auf eine Wanderung zu gehen, oder machen immer kürzere Spaziergänge. Dadurch nimmt die Leistungsfähigkeit ab. Andere neigen zum Überbeanspruchen. An guten Tagen gehen sie auf die strenge Wanderung oder erledigen den gesamten Haushalt. In der Folge werden die Schmerzen stärker, und sie müssen sich schonen. So bald wie möglich geben sie aber wieder Vollgas. Auch das beeinträchtigt die Leistungsfähigkeit langfristig.

Welchen Einfluss haben die Schmerzen auf die Identität?
Viele Betroffene fragen sich, wer sie abgesehen von den Schmerzen sind. Die ständige Beschäftigung mit dem Schmerz belastet die Partnerschaft und Freundschaften. Häufig kommt es zu sozialer Isolation.

Sollte man sich bei chronischen Schmerzen möglichst früh psychologische Hilfe suchen?
Einige Betroffene finden allein oder mit Unterstützung ihres Umfelds Wege, mit den Schmerzen umzugehen. Oft sind diese jedoch so belastend, dass sie zu Depressionen oder Ängsten führen – dann ist rechtzeitige Hilfe wichtig.

Wie kann eine Psychotherapie bei körperlichen Schmerzen helfen?
Schlechte Stimmung kann körperliche Symptome verstärken. Deshalb ist es wichtig, die Psyche zu stärken und Wege zu finden, das Leben mit Schmerzen lebenswert zu gestalten. Patientinnen und Patienten lernen, den Schmerz zu akzeptieren, ohne zu resignieren – manchmal braucht es Medikamente gegen Ängste oder Depressionen, aber möglichst keine Opiate.

Weshalb nicht?
Opiate helfen bei akuten Schmerzen. Werden sie aber über eine längere Zeit eingenommen, nimmt die Wirkung ab. Da der Schmerz jedoch derselbe bleibt, muss die Dosis laufend erhöht werden, und der Patient oder die Patientin kann eine Abhängigkeit entwickeln. Ein Entzug ist dann extrem schwierig.

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