«Eiweiss-Ablagerungen verdicken den Herzmuskel»

Interview Jeanne Fürst und Fabienne Eichelberger, 18. April 2024

(Symbolbild: iStock)

Rund 200 000 Menschen in der Schweiz leiden an einer Herzschwäche. Eine seltene Ursache ist die Amyloidose. Sie führt etwa zu Atemnot, sagt der Kardiologe Simon Stämpfli.

Simon Stämpfli, was versteht man unter einer Amyloidose?
Amyloidose bedeutet, dass sich Eiweiss falsch faltet, verklumpt und sich im Gewebe ablagert. Dies führt zu einer Dysfunktion des betroffenen Organs.

Was geschieht, wenn das Herz betroffen ist?
Durch die Ablagerung verdickt sich der Herzmuskel. Er wird steifer, und die Füllung des Herzens wird erschwert. Mit der verminderten Elastizität des Muskels steigt der Druck im Herz, und das Blut staut sich zurück in den Vorhof und die Lunge. Das führt zu typischen Symptomen von Herzinsuffizienz wie Atemnot bei Belastung und Wassereinlagerungen im Körper.

Simon Stämpfli ist leitender Arzt Kardiologie am Herzzentrum des Luzerner Kantonsspitals.

Bei welchen weiteren Symptomen sollte man an Herz-Amyloidose denken?
Für Betroffene ist es schwierig, sie zu erkennen. Denn bei den Symptomen einer Herzinsuffizienz muss nicht eine Amyloidose zugrunde liegen. Im Gegenteil: Herz-Amyloidose ist nur in seltenen Fällen die Ursache einer Herzinsuffizienz. Oft deuten orthopädische Probleme auf eine Amyloidose hin – insbesondere das Karpaltunnelsyndrom, das sich durch Taubheitsgefühle und Kribbeln in den Händen zeigt, und die Spinalkanalstenose, eine Verengung des Lendenwirbelkanals.

Ist die Ursache der Amyloidose bekannt?
Es gibt verschiedene Arten von Amyloidose. Die sogenannte AL-Amyloidose entsteht aufgrund einer Krebserkrankung im Knochenmark. Bei zwei weiteren Formen tendiert das Transportprotein Transthyretin dazu, zu verklumpen. Dabei wird zwischen der Wildtyp-Amyloidose und der hereditären Amyloidose unterschieden. Bei ersterer weiss man nicht, warum es zu den Verklumpungen kommt. Bei der zweiten Form ist eine vererbte Genmutation die Ursache.

In welchem Alter tritt die Krankheit auf?
Bei der vererbten Form relativ früh: Meist zwischen dem 30. und dem 50. Lebensjahr und meist das Nervensystem betreffend. Die Wildtyp-Form entwickelt sich in der Regel erst ab etwa 60 Jahren und betrifft in aller Regel das Herz.

Welche Therapiemöglichkeiten gibt es?
Für die Transthyretin-Amyloidose sind in der Schweiz Medikamente zugelassen, welche das Ablagern von Amyloid im Gewebe verhindern oder stark reduzieren. Dadurch werden die Lebensqualität und die Lebenserwartung verbessert. Bereits abgelagertes Amyloid kann aber nicht abgebaut werden. Zudem gibt es vielversprechende Forschungsansätze. Künftig soll ein Antikörper Amyloid markieren, welches vom Immunsystem abgebaut werden könnte.

 

 

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