«Die Ernährung könnte unsere Psyche stärken»

Interview Jeanne Fürst und Fabienne Eichelberger, 11. April 2024

(Symbolbild: iStock)

Der Darm ist mit dem Hirn über Nervenbahnen direkt verbunden. Eine angepasste Ernährung könnte deshalb gegen Depressionen helfen, sagt der Psychiater Timur Liwinski.

Timur Liwinski, Sie forschen daran, inwiefern Menschen mit Depressionen von der ketogenen Ernährung profitieren können. Wie sieht diese Ernährungsform aus?
Der Kohlehydrat-Anteil wird reduziert, sodass der Energiebedarf des Körpers nur noch zu rund 5 Prozent über Kohlehydrate und zu 60 bis 80 Prozent aus Fettquellen gedeckt wird.

Timur Liwinski ist klinischer Wissenschaftler an den Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel.

Auf welche Nahrungsmittel sollte man setzen?
Getreideprodukte wie Brot, Pasta und Reis werden gemieden. Zudem alles, was zugesetzten Zucker enthält, wie auch zuckerreiches Obst. Stattdessen greift man zu gesunden Fetten, die etwa in Olivenöl, Avocados, Nüssen und Fisch enthalten sind. Weiter setzt man eher auf fettiges als auf mageres Fleisch. Die ketogene Ernährung funktioniert aber auch ohne tierische Produkte. Wichtig ist, bei der Ernährungsumstellung eine Fachperson beizuziehen.

Weshalb?
Weil es sich um eine fundamentale Umstellung des Stoffwechsels handelt. Die Ernährungsform hat Auswirkungen auf den ganzen Körper. Das Ziel dabei ist es, einen spezifischen biochemischen Zustand herbeizuführen: die sogenannte Ketose.

Was bedeutet das?
Man bringt die Leber dazu, Ketonkörper zu produzieren. Diese werden dann als Hauptenergiequellen fürs Gehirn genutzt.

Warum hat das einen positiven Effekt auf die Psyche?
Das ist momentan Gegenstand der Forschung. Wir können die ketogene Ernährung noch nicht pauschal als Ernährungsform zur Prävention von psychischen Erkrankungen empfehlen, haben aber Hinweise darauf, dass sie eine effektive Therapieform darstellen kann. Dies, weil Ketonkörper oxidativen Stress reduzieren und die Zellen reparieren und erneuern. Damit wird die Energieversorgung des Gehirns optimiert. Zudem wirken Ketonkörper vermutlich antientzündlich und beeinflussen Neurotransmittersysteme.

Inwiefern?
Nach aktuellem Stand könnte die ketogene Ernährung die Bestandteile des erregenden Neurotransmitters Glutamat reduzieren und jene des beruhigend wirkenden Neurotransmitters GABA erhöhen. Dies hätte eine antidepressive Wirkung.

Könnte man somit künftig auf medikamentöse Antidepressiva verzichten?
Das ist das Ziel – und aus meiner Sicht durchaus realistisch. In einer Studie mit einer geringen Anzahl von Probandinnen und Probanden zeigte sich, dass es über 80 Prozent der Teilnehmenden durch die Ernährungsumstellung deutlich besser ging. Gewisse konnten ihre Medikamente tatsächlich absetzen.

 

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