«Die Selbständigkeit fördern ist das oberste Ziel»

Interview Jeanne Fürst und Fabienne Eichelberger, 15. Februar 2024

(Symbolbild: iStock)

Viele Menschen haben nach einer Krebstherapie Mühe, wieder in den Alltag zu finden. Individuell zugeschnittene Rehabilitationen helfen, sagt der Facharzt Stefan Bachmann.

Stefan Bachmann, warum braucht es Programme für onkologische Rehabilitation?
Weil sich die Medizin in den letzten Jahren rasant weiterentwickelt hat. Dank modernen Behandlungsmöglichkeiten ist es gelungen, eine früher tödlich verlaufende Krebserkrankung in eine chronische Krankheit umzuwandeln. Heute überleben die Betroffenen den Krebs häufig viele Jahre, allenfalls aber mit alltagsrelevanten Funktionseinschränkungen bezüglich Kraft und Ausdauer oder wegen therapiebedingter Nervenschädigungen. Diese funktionellen Defizite werden in einer Onko- Rehabilitation angegangen.

Stefan Bachmann ist Ärztlicher Direktor Rehabilitation und Psychiatrie der Kliniken Valens.

Was beinhaltet eine Onko-Rehabilitation?
Wir stellen massgeschneiderte multidisziplinäre Programme zusammen, die ambulant oder stationär durchgeführt werden können. Kraft und Ausdauer trainieren die Betroffenen in der Physiotherapie. In der Ergotherapie wird die Selbständigkeit im Alltag gefördert. Neuropsychologische Unterstützung wird bei Konzentrationsstörungen angeboten, und bei tumorbedingten Schluckproblemen Logopädie. Zudem ist immer eine psychologische Begleitung integriert.

Weshalb?
Viele Menschen haben zwar die Krebstherapie gut überstanden, können die Erkrankung aber nur schwer verarbeiten. Dabei helfen wir ihnen. Geht es der Seele nicht gut, kann man körperlich noch so sehr trainieren, und es geht trotzdem nicht vorwärts.

Was ist das Ziel einer Onko-Rehabilitation?
Die Selbständigkeit der Betroffenen in möglichst allen Bereichen des Lebens wiederherzustellen. Sie sollen lernen, mit ihren krankheitsbedingten Defiziten umzugehen, und möglichst ohne Einschränkungen am sozialen Leben teilnehmen können.

Rund drei Viertel der Krebsbetroffenen leiden nach der Therapie an Onko-Fatigue. Was ist das?
Eine Form von Müdigkeit und anhaltender Erschöpfung. Die Patientinnen und Patienten sind nach körperlicher oder geistiger Aktivität völlig am Ende. Selbst Ruhepausen und viel Schlaf sorgen nicht für die nötige Erholung.

Wie kann die Fatigue behandelt werden?
Sehr wichtig ist das Energiemanagement, das im Rahmen der Ergotherapie vermittelt wird. Die Betroffenen lernen, ihre Energie besser über den Tag zu verteilen. Weiter haben leichte körperliche Aktivitäten wie Tai- Chi oder autogenes Training einen positiven Effekt auf die Fatigue. Bei manchen Menschen führen auch Psychostimulanzien wie Ritalin zu einer Verbesserung der Symptome.

 

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