«Die Therapie kann Krankheitsfolgen rückgängig machen»

Interview Jeanne Fürst und Fabienne Eichelberger, 30. November 2023

(Symbolbild: iStock)

Die seltene Erbkrankheit Morbus Gaucher führt unter anderem zu vergrösserten Organen. Fachpersonen brauchen für die Diagnose eine gute Spürnase, sagt der Endokrinologe Michel Hochuli.

Michel Hochuli, was ist Morbus Gaucher?
Eine seltene lysosomale Speicherkrankheit, die erblich bedingt ist. Lysosomen sind Bestandteile der Zellen, die für den Abbau von Substanzen zuständig sind. Bei Menschen, die an Morbus Gaucher leiden, ist das Enzym ß-Glucocerebrosidase, welches in den Lysosomen für den Abbau spezieller Fette sorgt, defekt oder nicht vorhanden. Dadurch häufen sich diese Substanzen an. Hauptsächlich geschieht dies in der Leber, der Milz und im Knochenmark.

Wie macht sich das bemerkbar?
Unter anderem, indem sich die Organe vergrössern und die Anzahl der Blutplättchen sinkt. Letzteres kann zu häufigem Nasen- oder Zahnfleischbluten führen. Auf vergrösserte Organe im Bauchraum können Völleund Spannungsgefühle deuten. Ein weiteres Symptom von Morbus Gaucher sind Knochenschmerzen.

Michel Hochuli ist leitender Arzt Stoffwechselerkrankungen am Inselspital Bern.

Wann treten die Symptome in der Regel auf?
Das ist sehr unterschiedlich. Es gibt schwere Formen von Morbus Gaucher, die sich bereits im Kindesalter zeigen. Einige Betroffene bleiben jedoch ihr ganzes Leben symptomfrei.

Wie wird Morbus Gaucher diagnostiziert?
Weil die Symptome unspezifisch sind, braucht es eine gute Spürnase der Fachperson. Besteht der Verdacht auf Morbus Gaucher, ist die Diagnosestellung relativ unkompliziert. Es gibt Marker im Blut, die auf die Krankheit hinweisen. Weiter kann man die Aktivität des genannten Enzyms messen. Ist sie vermindert, liegt mit grosser Wahrscheinlichkeit Morbus Gaucher vor. Mit einem Gentest lässt sich der Verdacht bestätigen.

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es für Morbus Gaucher?
Sehr wirksam ist die Enzymersatztherapie. Sie wird alle 14 Tage als Infusion verabreicht und sorgt dafür, dass sich der Krankheitsverlauf stabilisiert und sich die Folgen der Krankheit sogar zurückbilden. Das heisst, das Volumen der Organe nimmt ab, und das Blutbild normalisiert sich. Seit 2020 sind zudem Tabletten zugelassen, welche die Anhäufung der speziellen Fette in den Lysosomen hemmen.

Ist Morbus Gaucher heilbar?
Nein. In der Regel muss die Behandlung auch bei einem guten Blutbild und beim Wegfall der Symptome weitergeführt werden. Ansonsten würden sich die Substanzen in den Zellen langsam wieder anhäufen. Ausserdem gibt es weitere, seltene Formen von Morbus Gaucher, die das Nervensystem schädigen. In diesen Fällen helfen die genannten Therapien leider nicht.

 

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