«Eine Psychotherapie lohnt sich immer»

Interview Jeanne Fürst und Fabienne Eichelberger, 21. September 2023

Eine Psychotherapie ist ein gemeinsamer Prozess, der auf Vertrauen basiert. (iStock)

Menschen zögern aus Scham oder Angst, mit einer Psychotherapie zu beginnen. Eine gute Therapie basiert auf Vertrauen, sagt der Psychiater und Psychotherapeut Hanspeter Flury.

Hanspeter Flury, wann raten Sie, eine Psychotherapie zu beginnen?
Wenn man keine Freude mehr verspürt, grübelt, unter Angstanfällen leidet, blockiert und angespannt ist, schlecht schläft, Schmerzen ohne körperliche Ursachen hat, vermehrt Alkohol oder Beruhigungsmittel konsumiert oder unter Beziehungsschwierigkeiten leidet: Dann empfiehlt es sich, mit der Hausärztin oder dem Hausarzt zu sprechen und nötigenfalls frühzeitig eine psychotherapeutische Behandlung aufzunehmen.

Hanspeter Flury ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie FMH an der Klinik Schützen in Rheinfelden.

Wie kann eine Psychotherapie Betroffenen Lebensfreude zurückgeben?
Indem sie spüren, wie sie Hilfe finden, wie sich Symptome gut behandeln lassen und wie sie sich dabei persönlich positiv entwickeln.

Welche Methoden kommen zum Einsatz?
Je nach Diagnose und Ziel verschiedene, einzeln oder kombiniert. Manche zielen direkt auf das Verhalten, etwa darauf, sich Ängsten zu stellen. Andere helfen, das eigene Erleben besser zu verstehen, sich zu entwickeln, Konflikte anzugehen, besser zu kommunizieren oder achtsamer mit sich umzugehen. Manche zögern, eine Psychotherapie zu beginnen.

Entscheiden sich Betroffene oft zu spät dafür?
Ja, und das ist schade. Der Weg zur Genesung ist bei leichten Fällen kürzer. Eine psychotherapeutische Behandlung aufzunehmen, lohnt sich aber immer – auch bei fortgeschrittener Krankheit. Warum warten viele Patienten damit? Für Betroffene ist es oft schwierig, eine psychische Krankheit bei sich zu erkennen und zu akzeptieren. Manche versuchen zu lange, Schwierigkeiten selbst anzugehen, weil sie sich schämen oder fürchten, in einer Therapie würde ihnen zu sehr in ihr Leben reingeredet.

Sie meinen, sie befürchten, manipuliert zu werden?
Genau. Dies wäre sehr unangenehm und ist gemäss den Richtlinien für Psychotherapie auch nicht zulässig. Psychotherapie ist ein gemeinsamer Prozess, der auf Vertrauen basiert. Dafür haben therapeutisch Tätige Grenzen zu respektieren. Sie helfen Betroffenen, zu eigenen Entscheidungen zu gelangen und diese umzusetzen.

Wie lange dauert es, bis eine Psychotherapie erste Resultate zeigt?
Manchmal sind nur wenige Sitzungen nötig. Bei ausgeprägten psychischen Krankheiten braucht es länger. Dann bewährt es sich, neben Psychotherapie auch Medikamente einzusetzen, Angehörige einzubeziehen und die Alltagsgestaltung zu unterstützen, manchmal auch, eine Klinik aufzusuchen.

 

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