«Langwierige Behandlungen zu verhindern, ist das Ziel»

Interview Jeanne Fürst und Fabienne Eichelberger, 14. September 2023

Genetische Tests werden nur nach einem umfassenden Beratungsgespräch gemacht. (Symbolbild: iStock)

Gentests können ein erhöhtes Risiko für eine Krebserkrankung eruieren. Der Onkologe Marco Siano sagt, wann ein Test sinnvoll ist und was die Konsequenzen daraus sein können.

Marco Siano, wem empfehlen Sie, sein Krebsrisiko mit einem Gentest ermitteln zu lassen?
Menschen, in deren Familie über mehrere Generationen Tumoren aufgetreten sind. Zudem, wenn ein Familienmitglied im Alter von unter 40 Jahren an Krebs erkrankt ist. In diesem Fall ist die Wahrscheinlichkeit, eine Genmutation zu finden, die Krebs verursachen kann, um das Dreifache erhöht. Vor einer Empfehlung für einen Test wird jedoch stets ein umfassendes Beratungsgespräch geführt, in dem das Risiko genau analysiert wird.

Marco Siano ist Facharzt für Medizinische Onkologie und leitet das Seeland Cancer Center in Biel.

Wie verläuft ein Gentest?
Es wird eine Blutprobe genommen und das Blut ins Labor geschickt. Nach zwei bis drei Wochen erhalten wir das Resultat und besprechen es mit der Patientin oder dem Patienten.

Wie viel kostet ein solcher Test?
Das kommt darauf an, wie viele Gene untersucht werden. Suchen wir eine spezifische Mutation – zum Beispiel, weil sie bereits bei der Schwester gefunden wurde – kostet das rund 350 Franken. Prüft man mehrere Gene und Mutationen, sind es etwa 3000 Franken. Wird der Test von einer Fachperson empfohlen, bezahlt ihn in der Regel die Krankenkasse.

Wie geht es weiter, wenn tatsächlich eine Genmutation gefunden wurde?
Das hängt von der gefundenen Mutation ab. In der Regel werden die Vorsorgeuntersuchungen angepasst: Man rät etwa, einen Ultraschall, eine Blutuntersuchung oder eine Darmspiegelung bereits ab 35 Jahren und nicht erst ab 50 machen zu lassen. Allenfalls empfiehlt man eine prophylaktische Operation. Beträgt das Brustkrebsrisiko bis zu 80 Prozent, bespricht man mit den Patientinnen das Entfernen des Brustgewebes. Zudem sollten Angehörige informiert werden, dass auch sie Träger der Mutation sein könnten.

Wie viele Tumoren sind erblich bedingt?
Man geht davon aus, dass fünf bis zehn Prozent der Tumoren vererbt werden. Besonders häufig kommt das unter anderem bei Brust-, Darm- und Prostatakrebs vor.

Bergen die Gentests Risiken?
Die Daten müssen sehr sensibel behandelt werden und dürfen nicht an Stellen wie die Lebensversicherung herausgegeben werden. Aus gesundheitlicher Sicht sind sie überhaupt nicht riskant – im Gegenteil: Das Ziel der Tests ist es schliesslich, zu verhindern, dass jemand an einer Krebserkrankung stirbt oder eine langwierige Chemotherapie über sich ergehen lassen muss.

 

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