«Den Kopf des Patienten zu schützen, ist wichtig»

Interview Jeanne Fürst und Fabienne Eichelberger, 7. September 2023

«Den Kopf des Patienten zu schützen, ist wichtig»
(Symbolbild: iStock)

Einen epileptischen Anfall erleiden im Laufe ihres Lebens mindestens 5 Prozent der Menschen. Der Neurologe Stephan Rüegg sagt, wie man Betroffenen helfen kann.

Stephan Rüegg, was ist Epilepsie?
Bei einer epileptischen Erkrankung liegt im Gehirn ein Ungleichgewicht zwischen Hemmung und Erregung vor. Dies führt zu vorübergehenden Funktionsstörungen von Nervenzellen und ihren Netzwerken, die immer wieder epileptische Anfälle auslösen, wenn man sie nicht behandelt.

Stephan Rüegg ist leitender Arzt in der Neurologischen Poliklinik am Universitätsspital Basel.

Wie zeigt sich ein epileptischer Anfall?
Bei einem klassischen Anfall haben Betroffene die Augen aufgerissen, überstrecken den Kopf und den Rumpf und versteifen sich. Danach entstehen Muskelzuckungen. Schwieriger zu erkennen sind «stille» Anfälle, bei denen die Patienten die Augen auch weit geöffnet haben und für ein bis zwei Minuten nicht auf Ansprache reagieren. Bei älteren Menschen werden solche Anfälle oft als «Aussetzer» abgetan.

Wie verhält man sich richtig, wenn jemand einen epileptischen Anfall erleidet?
Zunächst sollten Gegenstände aus dem Weg geräumt werden, die Betroffene verletzen könnten. Dann ist es das A und O, den Kopf der Person zu schützen. Das gelingt etwa, indem man ihn mit einer Jacke unterlegt oder – noch besser – ihn zwischen die eigenen Oberschenkel legt. Die sind gut gepolstert, und man behält die Kontrolle. Wichtig ist auch, wenn möglich auf die Uhr zu schauen.

Weshalb?
Um zu wissen, wie lange der Anfall dauert. Erst nach fünf Minuten spricht man von einem «Status epilepticus». Das heisst, die Wahrscheinlichkeit, dass der Anfall von selbst endet, ist in diesem Fall sehr gering, der Patient muss dringend ins Krankenhaus.

Sollte man nicht früher die Ambulanz rufen?
Wir empfehlen, diese nach drei Minuten zu verständigen. Über 90 Prozent der Anfälle enden nach zwei Minuten. Wird die Ambulanz voreilig alarmiert, muss der Patient eine Rechnung von bis zu 1500 Franken selbst berappen. Weiss man jedoch, dass jemand zum ersten Mal einen epileptischen Anfall erleidet, sollte man trotzdem sofort die Notfallnummer 144 anrufen. Dasselbe gilt bei schweren Verletzungen.

Was darf man auf keinen Fall tun, wenn man einen Anfall beobachtet?
em Betroffenen etwas zwischen die Zähne schieben, um ihn vor Zungenverletzungen zu schützen. Dies könnte sowohl für den Helfenden als auch für den Patienten gefährlich sein. Weiter sollte man die Bewegungen des Patienten nicht unterdrücken. Damit könnte man Gelenkverstauchungen, Knochenbrüche und Verletzungen innerer Organe provozieren.

 

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