«Duftstoffe sollen das Hungergefühl dämpfen»

Interview Jeanne Fürst und Fabienne Eichelberger, 20. April 2023

(Symbolbild: iStock)

Hoffnung für Übergewichtige: Eine neue Riechtherapie könnte den Appetit hemmen und den Stoffwechsel positiv beeinflussen, sagt die Endokrinologin Katharina Timper.

Katharina Timper, Sie erforschen, ob Duftstoffe gegen Übergewicht helfen können. Wie verläuft eine Riechtherapie?
Im Rahmen unserer Studie haben wir zwei Ansätze untersucht: Im einen Fall atmen die Teilnehmenden vor einer Mahlzeit 15 Minuten lang den Duftstoff ein, im anderen tun sie das über sechs Wochen morgens und abends vor dem Essen. Der Geruch wird über einen Clip an der Nasenscheidewand abgegeben.

Was soll dies im Körper auslösen?
Wir stehen noch am Anfang der Forschung. Zunächst geht es darum, herauszufinden, ob bestimmte Duftstoffe überhaupt einen Effekt auf den menschlichen Stoffwechsel haben. Im besten Fall erhoffen wir uns eine positive Beeinflussung der Hirnareale, die für die Regulation des Hungergefühls und der Nahrungsaufnahme zuständig sind, und darüber auch eine Verbesserung des Stoffwechsels.

Katharina Timper ist Leitende Ärztin Endokrinologie, Diabetologie und Metabolismus am Universitätsspital Basel.

Wie kamen Sie darauf, Übergewicht mit Duftstoffen entgegenzuwirken?
Studien an Nagern haben gezeigt, dass das Riechsystem bei der Regulation des Stoffwechsels und der Nahrungsaufnahme eine zentrale Rolle spielt. Beim Menschen ist diesbezüglich noch nichts bekannt, deshalb wollten wir das untersuchen.

Sie verraten nicht, wonach die Stoffe riechen. Wieso?
Damit künftige Teilnehmende unserer Studien nicht beeinflusst werden. In der klinischen Forschung dürfen bei den Probanden keine Erwartungen hinsichtlich möglicher Ergebnisse bestehen.

Trotzdem: Ist es das Ziel, mit den Duftstoffen den Appetit zu verderben?
Keinesfalls. Studienteilnehmende sollen das Essen weiterhin geniessen. Wir wollen nur neue Wege finden, um übermässige Hungergefühle zu reduzieren.

Kann die Riechtherapie eine Ernährungsumstellung und Sport ersetzen?
Nein, die Ernährung und körperliche Aktivität bleiben die Grundpfeiler bei jeder Therapie von Übergewicht. Die Riechtherapie, falls wirksam, könnte Betroffene dabei unterstützen, weniger zu essen. Wie und was wir essen, gibt nämlich das Gehirn vor und ist nur zu einem kleinen Teil willentlich beeinflussbar.

Was heisst das?
Übergewicht oder Adipositas sind nicht die Folge eines Versagens der Betroffenen. Es handelt sich um chronische Erkrankungen wie Bluthochdruck oder Krebs. Verantwortlich sind veränderte biologische Prozesse, vor allem auf Ebene des Gehirns. Deshalb müssen auch biologische Ansätze genutzt werden, um diese Erkrankungen zu behandeln.

 

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