Interview Jeanne Fürst und Fabienne Eichelberger, 6. April 2023
Funktioniert das Herz nicht richtig, kann das Ängste und Depressionen auslösen. Diese wiederum beeinflussen den Heilungsprozess negativ, sagt der Psychologe Sven Schmutz.
Sven Schmutz, weshalb haben Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen ein erhöhtes Risiko für eine psychische Störung?
Zum einen, weil die Erkrankung Sorgen und Stress erzeugen kann. In solchen Phasen ist man anfälliger für psychische Störungen. Zum anderen kann sie dieselben körperlichen Mechanismen auslösen wie eine psychische Störung: In beiden Fällen kommt es oft zu einer erhöhten Aktivität des Nervensystems sowie zu hormonellen Veränderungen. Physische Auswirkungen der Krankheit können deshalb psychisch wahrgenommen werden.
Warum ist das so?
Weil Herz und Hirn eng miteinander verbunden sind. Gefühle wie Angst werden im Hirn verarbeitet und über die Nervenbahnen ans Herz weitergeleitet. Dieses reagiert, indem es mehr Blut durch den Kreislauf pumpt. Zudem werden Hormone wie Adrenalin ausgeschüttet. Ist dieser Zustand dauerhaft, kann das zu einem erhöhten Blutdruck und längerfristig zu Schäden am Herz-Kreislauf-System führen.
Hat die Psyche weiteren Einfluss auf die Gesundheit unseres Herzes?
Ja, Studien zeigen, dass Menschen mit psychischen Erkrankungen weniger auf ihre Gesundheit achten. Sie bewegen sich seltener, ernähren sich schlechter und greifen eher zu Alkohol und Nikotin. Das sind Risikofaktoren, die sich negativ auf die weitere Prognose und Genesung auswirken.
Welches sind die häufigsten psychischen Erkrankungen von Menschen mit Herz-Kreislauf-Problemen?
Bei 40 Prozent der Betroffenen treten im ersten Jahr Angststörungen, Schlafstörungen und Depressionen auf. Oft zeigen sie sich nicht unmittelbar nach einem Ereignis wie einem Herzinfarkt, sondern beispielsweise gegen Ende einer Reha, wenn man im Alltag wieder Fuss fassen sollte. Das kann Ängste auslösen.
Wie hilft eine kardiopsychologische Therapie?
Indem Wissen und Verhaltensstrategien vermittelt werden. Dies soll Betroffene befähigen, die Reaktionen, die sie erleben, besser zu bewältigen. Beispielsweise lernen sie, mit schwierigen Gedanken umzugehen und sie zu stoppen oder intensive Gefühle besser zu regulieren.
Gelingt das oft?
Sofern keine chronischen Erkrankungen vorliegen, welche sich stetig verschlechtern, sind die Erfolgschancen sehr gut. 70 Prozent der Patientinnen und Patienten benötigen eine bis fünf Sitzungen, um anfängliche Unsicherheiten in den Griff zu bekommen. Die restlichen 30 Prozent besuchen zehn bis dreissig Sitzungen. Danach sind auch sie meist symptomfrei.