«Die Krankheit bleibt oft lange unbemerkt»

Interview Jeanne Fürst und Fabienne Eichelberger, 16. Februar 2023

Nieren sind die Kläranlagen unseres Körpers: Sie filtern das Blut und scheiden überschüssige Salze und wasserlösliche Gifte über den Urin aus. (iStock)

Die Nieren reinigen das Blut von Giftstoffen. Funktionieren sie nicht mehr richtig, kann das lebensbedrohlich sein, sagt der Nephrologe Hans Rudolf Räz.

Hans-Rudolf Räz, was passiert bei einer Nierenschwäche?
Im Körper häufen sich Substanzen an, die über den Urin ausgeschieden werden müssten. Etwa Salz, Säure und Wasser.

Welche Folgen hat das?
Der Blutdruck steigt, es kann zu Blutarmut, einer Übersäuerung des Blutes oder einer Überfunktion der Nebenschilddrüse kommen. Letztgenanntes kann zu Knochenschwund führen. Das Herzinfarkt- und Hirnschlagrisiko erhöht sich, und der Körper neigt zu Gefässverkalkungen. Leider wird eine Nierenkrankheit oft lange nicht bemerkt.

Weshalb?
Weil eine Nierenkrankheit keine Schmerzen verursacht. Zudem schreitet sie langsam voran.

Hans Rudolf Räz ist Chefarzt am Institut für Nephrologie- und Dialyse des Kantonsspitals Baden.

Auf welche Symptome gilt es zu achten?
Alarmsignale sind ein hoher Blutdruck, Energielosigkeit, eine Gewichtsabnahme oder Blut im Urin. Ist die Nierenfunktion stark geschwächt, äussert sich das etwa durch Juckreiz, sehr trockene Haut und Übelkeit.

Wie sollte man darauf reagieren?
Die genannten Symptome können auch ohne Nierenkrankheit auftreten. Sie weisen aber darauf hin, die Nierenfunktion kontrollieren zu lassen. Dabei sollte die Konzentration des Eiweisses Albumin im Urin geprüft werden. Dies wird oft vernachlässigt, ist jedoch ein wichtiger Indikator für eine Nierenkrankheit. Menschen über 60 und solchen, die aufgrund von hohem Blutdruck, Diabetes oder Herzkrankheiten zur Risikogruppe zählen, rate ich, die Nierenfunktion jährlich zu testen.

Wie wird eine Nierenschwäche behandelt?
Mit Medikamenten. Bei den häufigsten Ursachen – Diabetes und hoher Blutdruck – kommen Insulin oder Blutdrucksenker zum Einsatz. Das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wird mittels Cholesterinsenkern reduziert. Leider kann man eine Nierenkrankheit nicht heilen, sondern nur ihr Fortschreiten bremsen.

Wann ist eine Dialyse nötig?
Wenn das Überleben des Betroffenen nicht mehr gewährleistet ist. Die externe Blutreinigung ist sehr zeitintensiv: Die Patientinnen und Patienten müssen in der Regel dreimal pro Woche für rund vier Stunden ans Dialysegerät angeschlossen werden.

In welchen Fällen wird eine Niere transplantiert?
Sind Patientinnen und Patienten fit genug für eine Operation, versuchen wir, eine Niere zu transplantieren. Allerdings sind Spendernieren ein spärliches Gut. Durchschnittlich warten Betroffene drei bis vier Jahre auf ein neues Organ.

 

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