«Es gilt, keine. Zeit zu verlieren»

Interview Jeanne Fürst und Fabienne Eichelberger, 2. Februar 2023

Bei Verdacht auf Schlaganfall zählt jede Sekunde. Deshalb sofort 144 anrufen. (iStock)

Pro Jahr erleiden in der Schweiz 16 000 Menschen einen Schlaganfall. Was bei Symptomen zu tun ist, sagt die Neurologin Susanne Wegener vom Universitätsspital Zürich.

Susanne Wegener, es gibt zwei Hauptformen des Schlaganfalls: den Hirninfarkt und die Hirnblutung. Worin unterscheiden sie sich?
Der ischämische Schlaganfall, auch Hirninfarkt, macht 85 Prozent aller Schlaganfälle aus. Er entsteht, wenn ein Blutgerinnsel ein hirnversorgendes Blutgefäss verstopft. Dadurch fliesst zu wenig Blut in das betroffene Hirnareal. Bei einer Hirnblutung ist ein Gefäss geplatzt, wodurch Blut ins Hirngewebe fliesst. Beide Formen können dazu führen, dass Bereiche im Hirn absterben.

Wie werden die Erkrankungen behandelt?
Beim ischämischen Schlaganfall entfernt man grössere Gerinnsel mit einem Katheter. Bei kleineren wird Blutverdünner verabreicht, damit sie sich auflösen. Im Falle einer Hirnblutung wäre das kontraproduktiv, weil dadurch noch mehr Blut austreten würde. Da geht es darum, die Blutung zu stoppen.

Wodurch zeigt sich ein Schlaganfall?
Die Symptome unterscheiden sich je nach Hirnareal, in dem das Problem liegt. Häufig sind Lähmungserscheinungen, Seh- oder Sprechstörungen sowie Gleichgewichtsprobleme. Bei einer Hirnblutung leiden die Patientinnen und Patienten oft unter starken Kopfschmerzen.

Susanne Wegener ist Leitende Ärztin an der Klinik für Neurologie des Universitätsspitals Zürich.

Wie sollte man bei solchen Symptomen reagieren?
Sofort die Notfallnummer 144 anrufen und sich ins Spital fahren lassen. Es gilt, keine Zeit zu verlieren. Da man einen Hirnschlag schlecht von einer Hirnblutung unterscheiden kann, sollte man auf keinen Fall zu blutverdünnenden Tabletten greifen.

Wer ist für einen Schlaganfall gefährdet?
Etwa 15 Prozent aller Menschen mit Herzerkrankungen, hohem Blutdruck, Diabetes oder Stoffwechselstörungen. Auch zählen ältere Menschen zur Risikogruppe. 15 Prozent der Betroffenen sind jedoch unter 60 Jahre alt.

Wie kann das Risiko gesenkt werden?
Durch einen gesunden Lebensstil. Dazu zählt, dass man nicht raucht und sich viel bewegt. Wichtig ist auch, den Blutdruck zu kontrollieren. Viele Menschen merken nicht, dass er bei ihnen zu hoch ist. Ab 65 Jahren ist es zudem ratsam, ein EKG machen zu lassen, um Vorhofflimmern rechtzeitig zu erkennen.

Welche Behandlungsziele sind realistisch?
Die Prognosen sind zu Beginn völlig offen. Im schlimmsten Fall sterben die Betroffenen, im besten erholen sie sich komplett. Selbst wenn der Schaden anfangs gross scheint: Mit einer intensiven Rehabilitation kann viel erreicht werden. Drei Monate nach dem Schlaganfall haben sich etwa 40 Prozent der Patienten vollständig erholt.

 

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