Interview Jeanne Fürst und Fabienne Eichelberger, 1. Dezember 2022
Das sogenannte Asthma der Speiseröhre verursacht Schluckbeschwerden. Bei ersten Anzeichen sollte eine Fachperson aufgesucht werden, sagt der Gastroenterologe Alex Straumann.
Alex Straumann, was steckt hinter dem Namen Eosinophile Ösophagitis?
Eine chronische, allergieartige Entzündung der Speiseröhre. Fachleute verwenden die Abkürzung EoE oder salopp ausgedrückt Asthma der Speiseröhre.
Welche Symptome deuten auf eine EoE hin?
Sobald trockene oder faserige Speisen wie Reis, Fleisch oder rohe Rüebli nicht mehr problemlos geschluckt werden können, ist dies ein Hinweis auf eine organische Erkrankung der Speiseröhre. Im besten Fall liegt eine EoE, im schlimmsten Fall ein bösartiger Tumor vor. Diese Beschwerden dürfen nie als Folge von Stress kleingeredet werden, sondern erfordern zügig eine Abklärung.
Abgesehen von Schluckbeschwerden: Welche Folgen kann eine EoE auslösen?
Bei einer unbehandelten EoE kann ein kompletter Verschluss der Speiseröhre auftreten, sodass weder Speisen noch Speichel geschluckt werden können. Das ist eine gefährliche Notfallsituation.
Sie und der Brite Stephen Attwood haben die Krankheit Ende der 1980er-Jahre entdeckt. Weshalb erkannten Sie sie nicht früher?
Weil sie erst in den Achtzigerjahren entstanden ist. Vorher kam es nicht vor, dass normale Speisen beim Schlucken stecken blieben. Ich vermute, dass gewisse Lebensmittel durch die industrialisierte Produktion mehr Allergien auslösen. Bei Milch etwa, dem häufigsten Auslöser einer EoE, hat sich in den letzten 50 Jahren die Zusammensetzung der Eiweisse durch Züchtungen stark verändert. Gibt man Patientinnen und Patienten Milch von Kühen mit ursprünglicher Genetik, klingt die Entzündung bei zwei Dritteln ab.
Wie häufig tritt EoE heutzutage auf?
In den USA und in Europa lebt auf 2500 Einwohner ein Patient mit diagnostizierter EoE. Da es im Durchschnitt vom Auftreten der Symptome bis zur Diagnose gut vier Jahre dauert, dürfte die Häufigkeit aber höher sein.
Wer ist besonders gefährdet?
Der typische EoE-Patient ist männlich, jung und mit Allergien vorbelastet. Spannend: Rund sieben von zehn EoE-Patienten sind Hochschulabgänger. Eine Erklärung dafür haben wir noch nicht.
Wie wird eine EoE behandelt?
Entweder man identifiziert das Allergen und verzichtet mittels einer Diät auf die auslösende Speise, oder man unterdrückt die Entzündung mit Medikamenten. Bei der Hälfte der Betroffenen müssen wir die Speiseröhre aufweiten, weil sie stark verengt ist.