«Wir müssen diese Krebsart früh feststellen»

Interview Jeanne Fürst und Nicole Krättli, 20. Oktober 2022

Bauchspeicheldrüsenkrebs wird meist viel zu spät entdeckt. Es gibt aber Warnsignale, die eine frühe Diagnose ermöglichen, sagt der Viszeralchirurg Otto Kollmar.

Bauchspeicheldrüsenkrebs ist eher selten. Was macht ihn aber so gefährlich?
In der Schweiz macht der Bauchspeicheldrüsenkrebs nur drei Prozent aller Krebserkrankungen aus. Gleichzeitig ist er aber für acht Prozent aller Krebstodesfälle jährlich verantwortlich. Damit haben Patientinnen und Patienten mit Bauchspeicheldrüsenkrebs die niedrigste Überlebensrate unter allen Krebserkrankten. Ein Grund dafür ist, dass der Bauchspeicheldrüsenkrebs in der Regel viel zu spät entdeckt wird. Das liegt daran, dass das Organ sehr weich ist und die Betroffenen den Tumor erst spüren, wenn er schon sehr gross ist. Dann können wir aber meistens nicht mehr viel unternehmen.

Welche Symptome deuten auf einen Bauchspeicheldrüsenkrebs hin?
Wenn jemand plötzlich Rückenschmerzen hat, die man sich nicht erklären kann und die man in dieser Form nicht kennt, heisst es aufmerksam werden. Insbesondere dann, wenn die Rückenschmerzen gürtelförmig verlaufen. Wacht man zudem morgens auf und hat gelbe Augen, ist das ebenfalls ein Warnsignal. Das dritte Zeichen ist Diabetes verbunden mit Gewichtsverlust. Normalerweise nehmen Menschen zu und entwickeln dann Diabetes. Verhält es sich umgekehrt, kann das ein Hinweis auf Bauchspeicheldrüsenkrebs sein.

Otto Kollmar engagiert sich als stellvertretender Chefarzt Viszeralchirurgie bei Clarunis, Basel.

Wem raten Sie zu Vorsorgeuntersuchungen – selbst ohne Beschwerden?
Besteht in der Familie ein erhöhtes Krebsrisiko oder ist bereits jemand an dieser Krebsart erkrankt, würde ich zu einer Vorsorgeuntersuchung raten. Auch bei Patientinnen und Patienten, die unter mehreren Bauchspeicheldrüsenentzündungen gelitten haben, ist eine Vorsorgeuntersuchung sinnvoll.

Wie lässt sich Bauchspeicheldrüsenkrebs diagnostizieren?
Die Magnetresonanztomographie (MRI) ist die zuverlässigste Methode für eine Gewebedarstellung – insbesondere der Bauchspeicheldrüse. Nach einem ersten MRI können wir Ultraschalluntersuchungen vornehmen, um allfällige Veränderungen im Auge zu behalten.

Gibt es Situationen, in denen Bauchspeicheldrüsenkrebs heilbar ist?
Alles ist abhängig vom Zeitpunkt der Diagnose. Je früher wir die Krebsart entdecken, desto grösser sind die Chancen, dass er behandelt werden kann. Leider ist es so, dass nur etwa jede zehnte Person mit Bauchspeicheldrüsenkrebs länger als fünf Jahre mit der Erkrankung überlebt. Umso wichtiger ist es, bei den erwähnten Warnsignalen schnell zu handeln und diese aggressive Tumorart festzustellen oder auszuschliessen.

 

 

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