«Stimmungsschwankungen können stabilisiert werden»

Interview Jeanne Fürst und Danica Gröhlich, 29. September 2022

Bei einer bipolaren Erkrankung schwankt die Gemütslage zwischen zwei entgegengesetzten Extremen. (iStock)

Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt: Warum eine bipolare Erkrankung manchmal erst spät erkannt wird, sagt die Fachärztin und Psychotherapeutin Beate Immel.

Beate Immel, warum wird eine bipolare Erkrankung oft spät erkannt?
In einer Phase der bipolaren Erkrankung, in der sogenannten Manie, kann eine Person zunächst charismatisch, mitreissend oder heiter wirken. In der Folge aber treten nicht selten unangenehme, negative soziale Folgen auf, die für Betroffene schwer beeinträchtigend und beschämend sein können. Oft vergeht viel Zeit, bis die Betroffenen bereit sind, eine Behandlung in Anspruch zu nehmen. Meist sind es die an eine Manie anschliessenden schweren depressiven Phasen, die dazu führen, dass Betroffene Hilfe suchen. Eine manische Phase kann zudem einmalig oder nur leicht ausgeprägt sein. Dann wird sie im Gespräch nicht als solche benannt und auch nicht erkannt. Das kann dazu führen, dass eine bipolare Erkrankung mit einer wiederkehrenden depressiven Erkrankung verwechselt und auch so behandelt wird.

Wer ist vor allem betroffen?
Man schätzt, dass ein bis drei Prozent der Bevölkerung erkranken, Frauen und Männer gleichermassen. Viele Betroffene erleben die erste Krankheitsphase bereits im Alter von 18 bis 20 Jahren. Die Phasen treten aber in unregelmässigen Abständen auf, was die Diagnose erschwert.

Dr. med. Beate Immel, stellvertretende Chefärztin in der Klinik Schützen im aargauischen Rheinfelden

Wie zeigen sich die Phasen einer bipolaren Erkrankung konkret?
Bipolar Erkrankte leiden an Stimmungsschwankungen. Die Stimmung bewegt sich zwischen Extremen: Hochgefühl ( Manie) und Depression. Betroffene schwanken zwischen den Extremen. Ebenfalls betroffen sind Antrieb und Aktivitätslevel. Eine manische Phase zeichnet sich durch eine gehobene oder reizbare Stimmungslage aus. Patientinnen und Patienten beschreiben sich als euphorisch, extrem aktiv, phasenweise dann auch als aggressiv, gereizt und sich selbst überschätzend. Dies führt zu konflikthaften Situationen, etwa im direkten Umfeld. Eine Krankheits- oder gar eine Behandlungseinsicht ist zu diesem Zeitpunkt oft noch nicht vorhanden.

Was wäre die beste Therapie?
Wenn die Diagnose der bipolaren Erkrankung gestellt ist, werden mit den Betroffenen die Behandlungsoptionen besprochen. Stimmungsstabilisierende Medikamente spielen bei der chronischen Erkrankung eine wichtige Rolle. Krankheitsepisoden können so verzögert oder sogar vermieden werden. Je nach Verlauf gibt es mehr oder weniger lange Zeitabschnitte, in denen die Betroffenen keinerlei Beschwerden haben. Bedeutsam ist ein Umfeld, das ebenfalls ausreichend gut informiert ist und Betroffene unterstützt.

 

 

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