«Gezieltes Training ist die beste Vorbeugung»

Interview Jeanne Fürst und Danica Gröhlich, 15. September 2022

Lässt sich mit einem Ruck alles wieder einrenken? Was bei Rücken und Nackenbeschwerden wirkt, sagt Petra Schweinhardt, Leiterin Chiropraktische Medizin.

Frau Schweinhardt, wann hilft die Chiropraktik?
Der Gang zur Chiropraktorin oder zum Chiropraktor ist angezeigt, wenn mechanische Beschwerden am Bewegungsapparat auftreten. 80 Prozent unserer Patientinnen und Patienten leiden an Rücken- und Nackenschmerzen, häufig durch eine Über- oder Fehlbelastung. Die Chiropraktik darf Diagnosen stellen, zählt zu den Medizinalberufen und ist Teil der Grundversicherung.

Wer sollte direkt zur Chiropraktik gehen?
Als Grundregel: wenn die Schmerzen nur bei bestimmten Bewegungen auftreten. Leiden Sie vor allem nachts und/oder in Ruhe, dann gehen Sie besser zu Ihrer Hausärztin oder Ihrem Hausarzt, der Sie dann etwa an die Rheumatologie überweist. Wir behandeln 50 bis 75 Prozent Frauen, die meist zwischen 30 und 50 Jahre oder älter sind. Eigentlich leiden mehr Männer unter Rückenschmerzen, Frauen suchen sich vermutlich aber eher Hilfe.

Petra Schweinhardt ist Gesamtleiterin Chiropraktische Medizin an der Universitätsklinik Balgrist.

Wie läuft eine Behandlung ab?
Die chiropraktische Behandlung fusst auf drei Säulen: auf der Beratung, der manuellen Therapie und auf gezielten Übungen. Selbstverständlich steht vor jeder Behandlung eine genaue Diagnose- und Indikationsstellung. Laut Studien sollte sich innerhalb der ersten vier bis sechs Behandlungen etwas tun. Längerfristig helfen die richtige Ergonomie am Arbeitsplatz, ein aktiver Lebensstil sowie stetes Training.

Tut diese manuelle Therapie weh?
Am Rücken kann in den kleinen Gelenken zwischen den Wirbelkörpern die Beweglichkeit eingeschränkt sein und zu einer Fehlbelastung führen. Mit einem schnellen Impuls bewegen wir die knöchernen Gelenkpartner gegeneinander. Durch den entstehenden Unterdruck bildet sich eine Gasblase – es knackt. Das ist wie auch das Fingerknacken harmlos und nicht schmerzhaft. In den ersten Tagen nach der Behandlung kann es jedoch zu einer Schmerzverstärkung durch die Reizung des Gewebes kommen.

Welche Erkenntnisse gewinnt die Forschung?
In den letzten Jahren wurde darauf fokussiert, die Wirksamkeit der Chiropraktik nachzuweisen. Nun wollen wir die genauen Mechanismen verstehen. Etwa wie die spinale Manipulation bei Kreuzschmerzen hilft. So hätten wir in Zukunft noch individuellere Therapieformen.

Lassen sich Schmerzen vermeiden?
Vorbeugend ist gezieltes Training das Beste. Bei vorwiegender Arbeit am Schreibtisch sollte man regelmässig aufstehen, kleine Pausen machen und Übungen für den Nacken und Rücken einbauen – so selbstverständlich wie das Zähneputzen.

 

 

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