«Ausbrüche müssen früh entdeckt werden»

Interview Jeanne Fürst und Danica Gröhlich, 30. Juni 2022

(Symbolbild: Pixabay)

Malaria, Covid, Affenpocken: Immer wieder springen Krankheitserreger vom Tier zum Menschen über. Wie man dies verhindern kann, sagt der Epidemiologe Marcel Tanner.

Herr Tanner, wie häufig sind Übertragungen vom Tier auf den Menschen?
Infektionskrankheiten, die zwischen Tier und Mensch übertragen werden können, kommen sehr häufig vor. Ein Beispiel für diese Zoonosen ist die Tollwut. Von den etwa 1400 bekannten Infektionskrankheiten sind 800 Zoonosen. Bei engem Kontakt wird es wieder neue Varianten geben. Bei Corona trug die Fledermaus den Erreger in sich, wurde aber selbst nicht krank. Da wir damit noch nie in Berührung kamen, löste das Virus zu Beginn heftigere Symptome aus.

Welche Krankheiten bereiten Ihnen derzeit Sorge? Panik wegen Affenpocken ist nicht angebracht, da diese schwer von Mensch zu Mensch übertragbar sind. Ausbrüche in Zentralafrika kommen schon lange vor. Zudem lassen sich solche Fälle anhand der Symptome wie Hautausschlag einfacher identifizieren. Neue, noch unbekannte Krankheiten, die sich schnell übertragen, machen mir mehr Sorgen. Trotz Corona dürfen wir jetzt vor allem nicht im Pandemie-Modus weiterdenken.

Es kann aber zu weiteren Pandemien kommen?
Meist kommt es durch Zoonosen zu Epidemien wie in Teilen Afrikas mit Ebola. Früher wäre es wahrscheinlich wegen Covid-19 auch nur zu kleineren Ausbrüchen gekommen. Weil sich die Menschen aber heute so stark bewegen und das Virus sehr ansteckend ist, kam es zur Pandemie.

Marcel Tanner ist Epidemiologe am Schweizerischen Tropen- und Public-Health-Institut in Basel.

Was sollen Behörden tun?
Wichtig sind länderübergreifende Überwachungssysteme, die richtigen Vorkehrungen für entdeckte Erreger und Grundmassnahmen der Hygiene bis hin zur Impfung, falls vorhanden. Jeder Erreger verlangt eine eigene Präventionsstrategie. Dank Überwachung der möglichen Brutstellen sind wir in der Schweiz etwa gegen Tigermücken gewappnet und konnten noch keine Übertragungen von krank machenden Viren erfassen.

Welche Rolle spielen Klimaerwärmung und Massentierhaltung?
Beide sind besorgniserregend. Mücken können sich nur dort rasch entwickeln, wo die Temperaturen konstant über 24 Grad liegen. Darum könnte die Tropenkrankheit Malaria nun wieder nach Europa gelangen. Und mit der intensiven Hühner und Schweinezucht steigt das Risiko von antibiotikaresistenten Bakterien – eine schlafende Pandemie.

Wie schätzen Sie den Herbst bezüglich Corona ein?
Sicherlich kommt es zu Übertragungen mit weiteren Varianten. Bereits jetzt sollten Risikogruppen zum Beispiel für den Herbst einen zusätzlichen Booster erhalten. Auch die bekannten Hygienemassnahmen sollten wir weiterhin pflegen. Werden Ausbrüche früh entdeckt, können flächendeckende Lockdowns verhindert werden.

 

 

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