«Jede Minute zählt»

Interview Jeanne Fürst und Danica Gröhlich, 2. Juni 2022

(Symbolbild: Pixabay)

Nach einem Hirnschlag heisst es schnell handeln. Wie eine neue Methode am Unispital Basel mehr Leben retten und Folgeschäden verhindern kann, sagt der Neurologe Urs Fischer.

Urs Fischer, gilt der englische Merksatz «BE FAST!» nach einem Hirnschlag noch immer?
Absolut! Die Buchstaben stehen für Balance (Gleichgewicht), Eye (Auge), Face (Gesicht), Arm, Speech (Sprechfähigkeit) und Time (Zeit). Balance zeigt nach einem Hirnschlag das Symptom der akuten Gleichgewichtsstörung, Eye akute Blindheit, oft nur auf einem Auge. Oder es treten Doppelbilder auf. Für Face bitten Sie die Person, zu lachen. Ist der Mund dann schief? Arm steht für plötzliche Lähmung eines Arms oder Beins. Speech weist auf akute Sprachstörungen hin. Dann keine Zeit (Time) verlieren und über die Telefonnummer 144 Hilfe holen für die Einweisung in ein Stroke Center.

Warum zählt nach einem Hirnschlag jede Minute?
Bei einem akuten Hirnschlag, auch Schlaganfall oder «Schlägli» genannt, verstopft ein Gerinnsel ein Blutgefäss. In der Folge bekommen die Hirnzellen zu wenig Sauerstoff und Glukose, also Energie, und gehen zugrunde. Deshalb müssen wir das Blutgefäss so rasch wie möglich wieder öffnen. Mit einer zeitnahen Behandlung kann Betroffenen eine Behinderung erspart und die Lebensqualität verbessert werden. Folgeschäden hängen davon ab, welches Hirnareal betroffen ist. Beim Sprachzentrum etwa leiden Patientinnen und Patienten unter Sprachstörungen wie der Aphasie, bei der die Sprachproduktion und das Sprachverständnis gestört sein können. Sind die Bahnen des Hirns Richtung Rückenmark betroffen, treten Lähmungen und/oder Sensibilitätsstörungen auf. Auch das Sehzentrum sowie andere Areale können beschädigt sein.

Urs Fischer ist Chefarzt der Neurologie und Leiter des Stroke Center am Universitätsspital Basel.

Wie können Sie Zeit wettmachen?
In den letzten Jahren wurde bei der Bevölkerung viel Aufklärungsarbeit geleistet, um die Zeit vom Symptombeginn bis zur Behandlung zu verringern. Zudem kann in den Spitälern Zeit gewonnen werden. Deshalb kommen hier in Basel Menschen mit einem sehr schweren Hirnschlag nicht mehr in den Notfall, sondern direkt in den sogenannten Interventionsraum. Dank eines speziellen Computertomogramms können wir unmittelbar nach Ankunft im Interventionsraum ein Bild des Hirns machen und mit der Behandlung beginnen. Somit gewinnen wir rund 30 kostbare Minuten.

Kommt es so zu weniger Folgeschäden?
Der Effekt der Behandlung ist klar zeitabhängig. Durch diese Methode können wir die Gefässe circa 30 Minuten früher wieder eröffnen. Da wir mit jeder gesparten Minute Millionen von Hirnzellen retten, erhöht unser neuer Behandlungsansatz die Chancen von Patientinnen und Patienten auf ein selbständiges Leben mit guter Lebensqualität. Je schneller die Behandlung, desto besser ist ihr Schicksal.

 

 

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