«Eine rasche Diagnose verkürzt das Leiden»

Interview Jeanne Fürst und Danica Gröhlich, 26. Mai 2022

(Symbolbild: iStock)

Die Symptome einer Demenz und einer Depression sind ähnlich. Der Neuropsychologe Andreas U. Monsch sagt, wie sich die Erkrankungen voneinander unterscheiden lassen.

Herr Monsch, wann sollte man bei Gedächtnisproblemen im Alter auch an eine Depression denken?
Grundsätzlich immer. Denn Demenzen gehen ebenso mit Stimmungseinbussen einher wie Depressionen mit einer Einbusse der Gehirnleistung. Beide Erkrankungen haben gemeinsame Symptome, was eine Abgrenzung schwierig macht.

Was sind die Symptome einer Depression?
Die wichtigsten Merkmale sind eine depressive Stimmung, der Verlust von Interesse und Freude sowie Müdigkeit und Antriebsmangel. Dann auch verlangsamtes Denken und verminderte Konzentration, ein Gewichtsverlust oder eine -zunahme sowie unangemessene Schuldgefühle. Auch Gedanken an den Tod können auftreten. Einige dieser Anzeichen müssen mindestens zwei Wochen anhalten. Bei solchen Symptomen sollte man sich bei der Hausärztin oder dem Hausarzt Hilfe holen.

Wie zeigt sich eine Demenz?
Die häufigste und wichtigste Ursache einer Demenz ist die Alzheimerkrankheit. Zur Diagnose einer Demenz werden in einer Memory Clinic mit neuropsychologischen Tests sechs Hirnleistungsbereiche untersucht: Lernen und Gedächtnis, Sprache, visuelle Wahrnehmungsfähigkeit, exekutive Funktionen wie abstraktes Denken und Planen, komplexe Aufmerksamkeit und die soziale Kognition wie das Erkennen von Emotionen. Ist ein Bereich gegenüber gesunden Menschen gleichen Alters, gleicher Ausbildung und des gleichen Geschlechts beeinträchtigt, spricht man von einer Demenz.

Andreas U. Monsch ist Leiter der Memory Clinic der Universitären Altersmedizin Felix Platter in Basel.

Und wo gibt es Unterschiede zwischen den beiden Erkrankungen?
Eine Depression wie auch eine Demenz treten ab 60 Jahren mit circa 5 bis 10 Prozent etwa gleich häufig auf. Bei der Demenz verdoppelt sich aber die Häufigkeit alle 5 Lebensjahre. Eine Depression beginnt eher schneller, eine Demenz schleichend. Die Stimmung bleibt bei einer Depression konstant schlecht. Bei einer Demenz kann man Freude empfinden. Depressive Menschen klagen über ihren Zustand, der sie stört: «Ich weiss nichts mehr und kann nichts!» Demenz-Betroffene versuchen zu Beginn meist, ihr Gedächtnisproblem zu kaschieren. Menschen mit Depressionen sind oft verlangsamt im Denken und Sprechen.

Warum ist eine rasche Diagnose so wichtig?
Da wir das Leiden verkürzen wollen. Eine Depression kann man gut mit Medikamenten und psychotherapeutischer Begleitung behandeln. Auch bei einer Demenz sind neben der – leider nicht sehr wirkungsvollen – medikamentösen Behandlung Gedächtnistraining und vor allem die Beratung und Begleitung der Angehörigen wichtig.

 

 

Empfehlen Sie diesen Beitrag weiter: