«Warnsignale ernst nehmen»

Interview Jeanne Fürst und Danica Gröhlich, 24. März 2022

(Symbolbild: Pixabay)

Kreuz- und unspezifische Rückenschmerzen sind weitverbreitet. Wann sie zum Notfall werden, sagt Malin Mühlemann, Oberärztin für Chiropraktische Medizin.

Frau Mühlemann, warum klagt gefühlt jede und jeder über Rückenschmerzen?
Tatsächlich hat die Anzahl Menschen mit Rückenschmerzen in den letzten 30 Jahren zugenommen. Grund für diesen Anstieg dürfte vor allem die zunehmende Alterung der Gesellschaft sein. Bis zu 95 Prozent der Patientinnen und Patienten, die Kreuzschmerzen haben, leiden an sogenannten unspezifischen Rückenschmerzen.

Welche Schmerzen gelten als unspezifisch?
Spezifische Rückenschmerzen sind definitionsgemäss durch einige wenige Ursachen bedingt. Etwa Tumore, Infektionen oder Wirbelbrüche. Unspezifische Rückenschmerzen umfassen alle anderen Ursachen. Die Schwierigkeit ist, dass sich der Schmerz meist nicht eindeutig an der Bildgebung festmachen lässt. So können auch psychische und soziale Faktoren das Schmerzerleben beeinflussen. Bei unspezifischen Rückenschmerzen werden unter anderem Bewegung und Sport empfohlen. Auch gezielte Übungen, Physiotherapie oder das Erlernen, wie mit Schmerzen umgegangen werden kann, können helfen.

Ist Wärme oder Kälte besser?
Wenn Entzündungen eine Rolle spielen, empfehlen wir eher Kälte, also zum Beispiel bei einem Hexenschuss. Wärme dagegen kann muskuläre Beschwerden besser lindern.

Malin Mühlemann ist Oberärztin für Chiropraktische Medizin an der Universitätsklinik Balgrist.

Empfehlen Sie Schmerzmittel?
Das kommt auf das zu behandelnde Problem an und noch mehr auf die Patientin oder den Patienten. Gesunden, jungen Menschen verschreiben wir häufig sogenannte NSAR, weil diese entzündungshemmend und schmerzlindernd wirken. Diese Schmerzmittel interagieren jedoch mit anderen Medikamenten, zum Beispiel mit Blutdrucksenkern oder Aspirin. Von einer längeren Einnahme ohne ärztliche Kontrolle rate ich ab.

Wann werden Rückenschmerzen zum Notfall?
Der Gang zur Ärztin oder zum Chiropraktor ist dringend empfohlen, wenn typische Warnsignale auftreten. Dazu zählen ausstrahlende Schmerzen in Arme oder Beine, Kraftverlust oder Taubheitsgefühl, Veränderungen beim Wasserlösen oder Stuhlgang sowie Nacht- und Ruheschmerzen. Sie sollten auch eine Fachperson aufsuchen, wenn die Schmerzen nicht von alleine verschwinden oder nicht mehr tragbar sind. Ärztinnen und  Ärzte sowie Chiropraktorinnen und Chiropraktoren gehören zu den Medizinalberufen. Sie sind somit – im Gegensatz zur Osteopathie – zur Diagnose berechtigt und können weitere Abklärungen wie Bildgebung oder Laboranalysen veranlassen. Welche Therapie sinnvoll ist, um die Rückenschmerzen erträglicher zu machen, ist dann abzuwägen.

 

Empfehlen Sie diesen Beitrag weiter: