Von Danica Gröhlich, 23. März 2022
Selbst nachts kann unser Gehirn oft kaum zur Ruhe kommen. Und auch die Zeitumstellung steht wieder an. Hellwache Tipps für erholsamen Schlaf und problemloses Aufwachen.
«Als Selbständige lebte ich andauernd auf der Überholspur und hatte jahrelang mit Schlafschwierigkeiten zu kämpfen.» Kaum vorstellbar, diese Worte aus dem Mund von Dr. Sabine Paul zu hören. Denn die deutsche Biologin sprudelt nur so vor Energie – und das bereits am frühen Morgen. «Nach einigen Stellschrauben hatte ich dann endlich den richtigen Dreh heraus.» Inzwischen gibt sie ihr Wissen über die Zusammenhänge von Gehirnbotenstoffen, den sogenannten Neurotransmittern, Ernährung, Darmmikrobiom und Schlaf in Online-Kursen und Vorträgen weiter. Zudem wurde sie von der Deutschen Ärztekammer zertifiziert für die «Grundlagen der Schlafmedizin» der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin.
Frau Dr. Paul, munter aufzuwachen beginnt bereits abends mit entspanntem Einschlafen: Welche Rolle spielt da die Ernährung?
Aus meiner Sicht eine ganz entscheidende Rolle. Für das Ein- und Durchschlafen benötigen wir Schlafbotenstoffe im Gehirn. Sie können nur gebildet werden, wenn wir bestimmte Nährstoffe mit der Nahrung aufnehmen. Das Grundgerüst steckt vor allem in Nüssen, Fleisch, Fisch, Hartkäse und Ei. Für die Umwandlung in aktive Schlafbotenstoffe benötigen wir Vitamine und Mineralstoffe aus Gemüse oder Früchten mit intensiven Farben. Sind wir nicht gut versorgt, können wir kaum Schlafbotenstoffe produzieren und das Ein- und Durchschlafen wird sehr schwer. Die Darmbakterien senden Signale aus, die in der Lage sind, unsere Gene für den Tag-Nacht-Rhythmus ein- und auszuschalten. Es ist daher wichtig, dass wir die passenden Darmbakterien haben, damit die richtigen Signale zur richtigen Zeit gesendet werden. Auch die Zusammensetzung unserer Darmbakterien steuern wir über unsere Ernährung. Guten Schlaf kann man also essen.
Wenn einem Sorgen, schlimme Nachrichten und Bilder wachhalten: Wie können wir unser Gehirn auf Schlaf einstellen?
Bei Sorgen feuern unsere Gehirnzellen in schneller Frequenz, mit sogenannten Beta-Wellen. Sind wir wach und entspannt, sinkt die Funkfrequenz, wir kommen in den Alpha- Wellen-Bereich. Darin lässt es sich nicht nur angenehm und konzentriert arbeiten. Es ist zugleich die Frequenz, in der unser Gehirn beim Einschlafen schwingt. Ein wirksamer Trick ist, tagsüber immer wieder zu trainieren, in den Alpha-Zustand zu kommen. Dann füllt das Einschlafen viel leichter, weil wir geübter sind, vom Beta- in den Alpha- Zustand zu gehen. Das geht erstaunlich einfach: mit ein wenig Tagträumerei, dem Blick aus dem Fenster, einer kurzen Tee- oder Kaffeepause, die wir uns für fünf Minuten gönnen und dabei sonst nichts Anderes tun. Wichtig ist, dass das Gehirn einige Minuten Gelegenheit hat, entspannt «nichts tun» zu dürfen.
Warum ist es keine ausgeschlafene Idee, morgens gleich mit einem Kaffee zu starten? Was wäre die bessere Alternative?
In einer idealen Welt würden wir passend zu unserem Biorhythmus aufstehen, wären ausgeruht und munter. Der Alltag vieler Menschen sieht anders aus. Sie müssen oft zu Uhrzeiten aufstehen, die ihrem inneren Rhythmus nicht entsprechen. Die meisten Menschen sind laut Chronobiologie, welche die Biorhythmus-Typen untersucht, entweder Spätaufsteher oder Neutral-Typen. Für die meisten Menschen ist der bei uns übliche Arbeitsbeginn daher zu früh. Es ist nachvollziehbar, dass dann mit Koffein nachgeholfen wird, um die Müdigkeit zu vertreiben. Alternativ können wir zu einem Glas Wasser mit einem bis zwei Teelöffeln Apfelessig greifen. Studien haben gezeigt, dass diese Mischung nicht nur den Stoffwechsel anregt, sondern auch stimmungsaufhellend ist. Zumindest, wenn es nicht erhitzter, naturtrüber Bio-Apfelessig ist. Ein solcher Essig unterstützt die positiven Darmbakterien und damit einen guten Tag-Nacht-Rhythmus.
Wie werden wir morgens am besten munter?
Das effektivste Mittel ist Tageslicht. Denn es stoppt sofort die Bildung des Schlafhormons Melatonin, das uns schläfrig macht. Der zweite Tipp ist: moderate Bewegung. Öffnen Sie einfach das Fenster oder gehen Sie auf den Balkon oder die Terrasse und recken und strecken Sie sich im Tageslicht. Gerade im Winterhalbjahr ist das besonders wirksam. Licht und gezielte Muskelbewegung signalisieren dem Körper, dass der Tag begonnen hat. Aber bitte nicht gleich Sport treiben mit kalter Muskulatur, das erhöht die Verletzungsgefahr.
Was ist Ihr persönliches Morgenritual, um wach zu werden?
Als erstes ein kurzer Ausflug auf meinen Balkon, um mir Tageslicht und ein wenig Stretching zu gönnen. Dann gibt es einen Espresso mit Zimt und Kardamom, dazu ein Glas stilles Wasser. Der Espresso ist je nach Bedarf mit Koffein oder ohne. Die Gewürze sind meine besonderen Gehirn-Booster. Sie steigern die Konzentrationsfähigkeit und Stimmung. Sie verhelfen auch zu einer tieferen Atmung, die den Körper mit mehr Energie versorgt. Das Wasser bringt meinen Körper in Schwung. Für diese Getränke nehme ich mir einige Minuten Zeit und lasse die Alpha-Wellen im Gehirn schwingen. So kann ich kurz darauf sehr fokussiert und mit glasklarem Kopf arbeiten.
In der Nacht auf Sonntag wird uns wieder eine Stunde «geklaut»: Wie können wir die Zeitumstellung meistern?
Am besten, indem wir schon vorher jeden Tag 10 Minuten früher zu Bett gehen und 10 Minuten früher aufstehen. Unser Körper kann solche kleinen, kontinuierlichen Zeitverschiebungen gut wegstecken, eine ganze Stunde auf einmal ist zu viel. Auch die Essenszeiten sollte man allmählich anpassen, denn sie sind ein weiterer wichtiger Taktgeber für den Biorhythmus. So schaffen wir die Umstellung und einer entspannten Nachtruhe steht nichts mehr im Weg.
Schlafförderliche Nahrungsmittel:
- Abendessen: Saatenbrot mit vielen Sonnenblumenkernen, Sesam, Leinsamen oder Kürbiskernen. Als Belag ein Hartkäse wie Emmentaler oder Camembert. Wer mag kann auch eine Portion Hering oder Rollmops essen.
- Für Salatfans: Intensivfarbiger Blattsalat wie Rucola oder Lollo Rosso mit gerösteten Sonnenblumen- oder Kürbiskernen, dazu Thunfisch oder gehobelter Parmesan.
- Ein schnelles, warmes Gericht: Omelette oder Rührei aus zwei Eiern, gefüllt mit Hartkäse.
- Für Liebhaber warmer Abendessen: Lammfleisch, Hühnerfleisch oder Leber vom Weidetier, eine Portion Lachs oder Garnelen. Dazu Nudeln aus Hülsenfrüchten wie Linse, Kichererbse oder Lupine. Sie halten im Gegensatz zu Weizen- oder Dinkelnudeln den Blutzucker im Zaum und verhelfen zu entspannter Nachtruhe. Obendrauf einen Dip aus pürierten Sonnenblumenkernen oder geschälten Hanfsamen mit Tomatenmark und ein paar Kräutern.
- Schlummertrunk: Moonmilk aus Mandelmilch mit ein paar Safranfäden.
Weitere Tipps im Buch von Dr. Sabine Paul: «Gehirndoping mit Gewürzen: Das Upgrade für Konzentration, Gedächtnis, Stimmung und Stress-Resistenz»
(Expert Fachmedien GmbH, 2. Auflage 2020)