Interview Jeanne Fürst und Danica Gröhlich, 3. März 2022
Im Alter geistig und körperlich aktiv bleiben? Die Zürcher Schauspielerin Heidi Diggelmann, 86, sagt, wie sie sich fit hält. Und welche Vorteile das Alter hat.
Frau Diggelmann, Sie stehen mit 86 Jahren immer noch auf der Bühne. Wie schaffen Sie das?
Ich freue mich, nach längerer Pause wieder arbeiten zu können. Derzeit probe ich ein Stück für den Herbst in einem Kleintheater in Baden. Passenderweise ist es ein Dialog zwischen einer älteren Frau und einem älteren Mann. Um mir den Text zu merken, muss ich ihn aber oft repetieren, viel öfter als früher. Derzeit lerne ich auch noch brasilianisches Portugiesisch. Früher nahm ich die Wörtli eins, zwei, hui! auf. Jetzt vergesse ich sie gleich wieder, was mich ziemlich ärgert. Dennoch ist es eine gute Gedächtnisarbeit, die mir Freude bereitet.
Und wie halten Sie sich fit?
Nach dem Aufwachen mache ich ein paar Übungen. Zudem gehe ich einmal pro Woche zur Gymnastik sowie ins Fitness, um alle Gelenke durchzubewegen. Ich wurde glücklicherweise von schweren Krankheiten verschont. Vor 14 Jahren bekam ich am gleichen Tag zwei neue Hüftgelenke. Natürlich wird mein Körper alt. Es tauchen immer neue kleinere und grössere Beschwerden auf. Und ich bin oft müde, schlafe beim Lesen oder Fernsehen ein. Für die gesunde Ernährung esse ich am Morgen Früchte, mittags Brot und Käse mit Kaffee. Erst abends eine warme Mahlzeit mit einem Glas Wein – in guter Gesellschaft.
Was wird im Alter noch wichtiger?
Für mich ist wichtig, dass ich autonom bleibe. Ich lebe gerne alleine, kann den Tag je nach Kraft und Lust einteilen. Wertvoll sind Freundschaften und die Familie mit meinen beiden Enkeln, 5 und 9 Jahre alt. Der Kontakt und der Gedankenaustausch mit jüngeren Menschen halten mich jung. Finanziell bin ich privilegiert, auch dank der Rente meines verstorbenen Ehemannes. Ich wünsche mir auch keinen neuen Partner. Die Zeit, die mir noch bleibt, bringt genügend Zufriedenheit in mein Leben.
Hat das Alter Vorteile?
Ich fühle mich freier und unabhängiger. Ich denke gerne zurück, aber ohne Wehmut. Als ich jung war, war ich nicht glücklicher. Mit dem Alter lernt man, Krisen besser zu meistern. Ich erwarte nicht mehr viel Neues, aber lasse mich gerne überraschen. Ich bin zufrieden mit meinem Schicksal.
Haben Sie noch Wünsche?
Eigentlich wollte ich mit einer Freundin auf einem Schiff um die Welt reisen. Doch dann kam Corona. Jetzt wünsche ich mir nur noch, dass ich gesund bleibe und es für mich gnädig zu Ende geht, möglichst ohne Leidenszeit. Ich bin bei Exit angemeldet, weiss aber, dass man nicht immer imstande ist, noch den richtigen Zeitpunkt zu treffen. Man kann das Leben nicht durchplanen. Das Sterben und den Tod erst recht nicht. Es haben es aber alle geschafft. Dann werde auch ich es schaffen.
