Richtig oder falsch: Kann ich nur am Bauch abnehmen?

Von Danica Gröhlich und Christian Franzoso, 19. Februar 2022

Bereits wieder Schluss mit den guten Vorsätzen? Wie gelingt eine gesunde Gewichtsreduktion? (iStock)

Nach der Völlerei ist vor der Diät: Welche Abnehm-Formen wirklich Sinn machen, erklärt ein Ernährungswissenschaftler.

Nach den Festtagen und jetzt für den Frühling wollen viele Menschen abnehmen. Was können Linienbewusste machen? Bringt Intervall-Fasten etwas? Und nehme ich schneller ab, wenn ich zur Diät auch noch intensiv Sport treibe? Können wir zudem gezielt nur am Bauch die Speckröllchen zum Schmelzen bringen? Auf diese und weitere Fragen weiss Jürg Hösli Rat. Er ist seit rund 30 Jahren im Leistungssport als Athlet, Trainer sowie Ernährungswissenschaftler tätig. In Winterthur ZH hat er das erpse Institut gegründet und betreibt inzwischen an zusätzlichen Standorten in der Schweiz und im Ausland weitere Filialen für Ernährungsdiagnostik.

Herr Hösli, ist es sinnvoll, das Frühstück ausfallenzulassen, um abzunehmen?
Das sogenannte Intervall-Fasten, bei dem man einige Stunden lang nichts zu sich nimmt und meist die erste Mahlzeit des Tages ausfallen lässt, ist für mich ein bisschen wie ein Teilzeit-Verhungern. Viele essen dann am Morgen weniger, wenn sie eigentlich besonders viel leisten müssten, und am Abend entsprechend mehr. Dann hat der Körper aber mit der Verdauung eine deutlich höhere Arbeitsleistung. Und gerade zur Nacht hin macht das wenig Sinn. Deshalb ist es alles andere als sinnvoll, das Frühstück wegzulassen.

«Die Reduktion von Bauchfett hilft unserer Gesundheit.»

Das bedeutet also auch, dass spätabends noch etwas zu essen, schlecht ist?
Ja, das ist eine ganz wichtige Feststellung.Das ist besonders dann schlecht, wenn vor dem Schlafen die Menge an Nahrung gross ist. Denn der Darm braucht zum Verdauen sehr viel Sauerstoff und dazu muss der Sauerstoff durch den Herzschlag im Körper erhöht werden. So liegt man dann gerne einmal mit einem Puls von 100 im Bett und kann natürlich nicht mehr einschlafen.Und deshalb ist es absolut zu vermeiden, spätabends noch eine grosse Portion zu essen.

Jürg Hösli, Ernährungswissenschaftler, erpse Institut Winterthur ZH (Alice Das Neves)

Das heisst also, man sollte die Methode «Kaiser, König, Bettler» anwenden?
Das erachte ich als sehr sinnvoll. Denn diese Methode besagt, dass wir morgens wie ein Kaiser, mittags wie ein König und abends wie ein Bettler essen sollten. Sie zeigt auf, wie viele Kalorien wir wann genau brauchen. Wir geben dem Körper also fortlaufend immer etwas Nahrung und genau soviel, wie er benötigt. Abends eben am wenigsten, damit wir dann am besten schlafen können. Das ist wesentlich sinnvoller und wird seit Jahrzehnten auch empfohlen. Schon unsere Grosseltern haben dies gewusst. Die Methode «Kaiser, König, Bettler» hat sich bestens bewährt.

Hat dann generelles Fasten, also nicht nur Intervall-Fasten, eine positive Wirkung auf die Gesundheit?
Das kann ich zwar eindeutig bejahen, aber unter Vorbehalt. Denn beim kurzfristigen Fasten hat der Körper eine bessere Ökonomie. Er nimmt Sauerstoff besser auf. Und mehr Sauerstoff heisst auch besserer Schlaf, weniger Entzündungen und theoretisch auch langsameres Altern. Fasten wir allerdings lÄnger, so hat der Körper etwas dagegen, weil man ihm dann natürlich die Energie entzieht und ihm auch weniger oder eben gar keine Energie mehr gibt. Dadurch sind wir dann wieder am gleichen Punkt wie vorher. Somit müssen wir festhalten, dass also nur kurzfristiges Fasten gesund für uns ist.

Es gibt auch Menschen, die Diäten machen und gleichzeitig intensiv Sport treiben. Was halten Sie davon?
Das ist natürlich der Super-GAU. Weil, wenn wir Sport treiben und zugleich nichts zuführen, kommt es zu einem Riesenstress für den Körper. Und genau in diesem Stress fängt der Körper an, viel weniger abzubauen und stattdessen mehr aufzubauen, mit dem, was er überhaupt noch an Nahrung bekommt. Also sind Diäten gleichzeitig mit intensivem Sport sehr kontraproduktiv und nicht zu empfehlen.

Die Anhänger der sogenannten Keto-Diät verzichten voll und ganz auf Kohlenhydrate. Ist das denn gesund?
Die ketogene Ernährung benötigt eigentlich einen Beipackzettel. Für Autonormalverbraucher, die viel Stress im Alltag haben und viel Sport machen, ist es definitiv nichts. Denn diese Menschen zeigen dann relativ schnell einmal Überlastungssymptome. Ein Hochleistungssportler hingegen, der genügend Regeneration hat, für den ist das absolut eine probate Möglichkeit. Somit schadet eine ketogene Diät Hobbysportlern. Im Alleingang ist diese Ernährungsform also nichts für die breite Masse.

«Der Darm braucht zum Verdauen sehr viel Sauerstoff.»

Stimmt es eigentlich, dass wir beeinflussen können, an welcher Stelle wir abnehmen? Könnte jemand gezielt den Bauch schrumpfen lassen?
Ja, das kann man tatsächlich. Bereits seit einigen Jahren erfassen wir solche Daten statistisch und analysieren sie. Wenn man beispielsweise in der ersten Tageshälfte mehr isst als in der zweiten – also wieder getreu dem Motto «Kaiser, König, Bettler» – dann haben wir einen sehr positiven Effekt auf die Reduktion von Körperfett und dies spezifisch am Bauch. Das ist genau das, was eigentlich viele wollen. Denn eine Fettreduktion am Bauch hat wiederum positive Effekte auf unsere Gesundheit. Wir können also beeinflussen, wo wir abnehmen und, dass wir gezielt am Bauch die Pölsterchen zum Schmelzen bringen.


Keto-Diät:

Die ketogene Ernährung setzt zur Energiegewinnung auf Fett statt auf Kohlenhydrate. Somit steht sie für Low-Carb sowie High-Fat und verzichtet damit zum grössten Teil auf Zucker aus Kohlenhydraten. Dadurch imitiert sie den Stoffwechselzustand des Fastens im Körper, die sogenannte Ketose. Bekommt der Körper keine Kohlenhydrate, greift die Leber auf

Fett zurück und bildet einen Glukose-Ersatz, die sogenannten Ketonkörper. Die Glukose wird somit von den Ketonkörpern als Energielieferant abgelöst. Da durch das Weglassen von Kohlenhydrathaltigen Lebensmitteln wichtige Nährstoffe fehlen könnten, sollte eine Keto-Diät nur unter Anleitung und nicht auf eigene Faust begonnen werden.


Weitere Informationen zur Ernährungsdiagnostik erhalten Sie auf der Webseite des erpse Institutes: www.erpse-institut.com

 

Danica Gröhlich ist Redaktorin bei «GESUNDHEITHEUTE», der Gesundheitssendung am Samstagabend auf SRF 1.
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