«Wir erforschen Grenzerfahrungen»

Interview Jeanne Fürst und Danica Gröhlich, 13. Januar 2022

(Symbolbild: iStock)

Es gibt Menschen, die «Begegnungen mit Verstorbenen» erlebten: Warum sie das oft verschweigen, sagt der Hausarzt und Nahtodexperte Reto Eberhard Rast.

Herr Rast, weshalb erforschen Sie Nahtoderfahrungen?
Schon als Kind war ich davon überzeugt, dass es eine unsichtbare Parallelwelt gibt. Als Primarschüler hörte ich das erste Mal von Nahtoderfahrungen. Meine Faszination für solche Phänomene ist ungebrochen. Nahtoderfahrungen ermöglichen uns, eine Grenzerfahrung zu erforschen.

Was berichten denn Menschen nach einer Nahtoderfahrung?
Jede solche Erfahrung ist individuell. Fast die Hälfte erlebt dabei ein «Austreten aus dem Körper», und viele erzählen, dass sie die Umgebung von oben wahrgenommen haben. So konnte etwa eine Frau, die von einer Lawine begraben wurde, genau beschreiben, was oberhalb der Schneedecke vor sich ging. Viele berichten auch davon, dass sie ihr Leben als Panorama gesehen haben. Oder den Durchgang in eine Lichtregion, in der sie Verstorbenen begegneten.

Reto Eberhard Rast ist Hausarzt in Luzern und Präsident der Gesellschaft zur Erforschung von Nahtoderfahrungen.

Was bewirken diese Erfahrungen bei Betroffenen?
Oft ist die Erfahrung mit neuen Fähigkeiten verbunden. Manche erzählen von einem beschleunigten Denken oder der Möglichkeit, Gedanken zu lesen. Blinde schildern sogar Seherfahrungen. Einige haben Zukunftsvisionen oder erhaltenInformationen von jenseitiger Ebene. Sie begegnen beispielsweise einer verstorbenen Person, von der sie noch nicht wussten, dass diese tot ist. Die meisten dieser Phänomene treten unabhängig von einem kulturellen und zeitlichen Kontext auf, und auch unabhängig davon, ob man zuvor realisiert hat, dass man sich in Todesgefahr befindet.

Wie lässt sich das aus medizinischer Sicht erklären?
Eine überzeugende physiologische oder psychologische Erklärung gibt es bis heute nicht und wird es vielleicht auch nie geben. Der hohe Sinngehalt von Nahtoderfahrungen ist relativ einfach zu erklären, wenn man davon ausgeht, dass wir ein «immaterielles Bewusstsein» haben, das unseren Körper verlassen kann. Es gibt aber nur eine Studie, die sich direkt an die Klärung dieser Annahme herangewagt hat: die Aware-Studie von 2014. Mit ihr wollte man in Erfahrung bringen, ob Menschen während einer Nahtoderfahrung tatsächlich von oben herab Einsicht haben können in ein Kästchen, das man sonst nicht einsehen kann. Bisher ist so ein Fall nicht eingetreten.

Warum verschweigen viele eine solche Erfahrung?
Wer solche Erfahrungen gemacht hat, behält sie oft lieber für sich, als sie von anderen in Frage gestellt zu sehen. Denn eine Nahtoderfahrung wird viel realer als unsere Wirklichkeit erlebt.

 

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