«Gezieltes Training vermindert Risiken»

Interview Jeanne Fürst und Danica Gröhlich, 18. November 2021

(Symbolbild: iStock)

Der Beckenboden ist ein wichtiges Organ, wenn auch kaum spürbar. Welche Probleme er verursachen kann und was Abhilfe schafft, sagt die Urogynäkologin Verena Geissbühler.

Frau Geissbühler, wozu ist der Beckenboden da?
Der Beckenboden bildet den Abschluss des Rumpfes und besteht aus Muskulatur und Bindegewebe. Wie eine Hängematte stützt er die Harnblase sowie die Harnröhre, den Darm und bei Frauen die Gebärmutter. Der Beckenboden muss im Laufe des Lebens viel aushalten: aufrechtes Stehen, körperliche Arbeit oder Sport wie Joggen. Man kann die versteckte Muskulatur nicht einfach anspannen wie den Bizeps. Deshalb gibt es eine spezialisierte Physiotherapie.

Verena Geissbühler ist Professorin und Leitende Ärztin für Urogynäkologie am Claraspital Basel.

Welche Probleme kann er verursachen?
Die Belastung nimmt im Alter zu. Besonders wenn Frauen von Haus aus ein schwaches Bindegewebe haben. Schwangerschaften und Geburten tragen ebenso dazu bei. In den Wechseljahren sinkt das Östrogen, das die Durchblutung unterstützt. Der Beckenboden wird schwächer, Organe senken sich und lösen ein Druckgefühl aus. Ein Bandscheibenvorfall führt zu Nervenschädigungen, schwächt die Beckenbodenmuskulatur, was zu Inkontinenz führen kann. Auch Männer können Probleme mit dem Beckenboden haben, sie sind aber weniger von einer Senkung betroffen.

Was sind weitere Risikofaktoren?
Übergewicht, Raucherhusten oder starkes Pressen bei chronischer Verstopfung können den Beckenboden ebenfalls belasten. Präventiv können wir diese Risikofaktoren meiden und den Beckenboden mit einem gezielten Training stärken.

Treten auch Schmerzen ohne klare Ursache auf? Das gibt es, und diese müssen breit abgeklärt werden: Sind die Verspannungen Ausdruck einer Erkrankung wie Endometriose, eines Schmerzsyndroms, eines rheumatischen oder psychosomatischen Leidens?

Was hilft, und wann muss operiert werden?
Gezielte Übungen können helfen und in den Wechseljahren eine Hormoncreme zur besseren Durchblutung. Die Organe nach einer Senkung stützen kann ein sogenanntes Pessar, ein in der Scheide getragener Würfel. Hat eine Frau alles ausprobiert und leidet ihre Lebensqualität, so schafft ein Eingriff Abhilfe. Bei einer Senkung wird wie bei einem Leistenbruch Gewebe gerafft und aneinandergenäht. Über die Bauchdecke kann auch ein Netz zur Stabilisierung eingesetzt werden.

Wie sehen die Prognosen aus?
Mit einer Operation steigt die Heilungschance auf bis zu 90 Prozent. Nicht nur die Anatomie wird dabei korrigiert, sondern auch die Funktion wiederhergestellt. So können Patientinnen wieder kontrolliert Wasser lösen, den Darm entleeren und haben keine Beschwerden mehr beim Geschlechtsverkehr. Generell sollten wir alle den Beckenboden ein Leben lang stärken.

 

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