«Der älteste Organspender war 88-jährig»

Interview Jeanne Fürst und Danica Gröhlich, 11. November 2021

(Symbolbild: iStock)

Was soll nach dem Tod mit den eigenen Organen passieren? Warum dieser Entscheid wichtig ist, sagt Nathalie Krügel, Leitende Ärztin bei Swisstransplant.

Frau Krügel, welche Ängste verbinden Menschen mit dem Organspenden?
In der Schweiz haben im letzten Jahr 1457 Personen auf ein Organ gewartet. Gleichzeitig starben und sterben jede Woche ein bis zwei Wartende. Es bestehen wohl Ängste, dass lebenserhaltende Maschinen zu schnell abgestellt werden, um an ein Organ zu kommen. Für eine Spende muss aber die Prognose aussichtslos und der Hirntod sicher sein.

Wie wird der festgestellt?
Ein Mensch gilt als hirntot, wenn alle Funktionen des Gehirns und die Reflexe des Hirnstamms vollständig und unwiderruflich ausgefallen sind. Aus dem Koma dagegen kann jemand wieder aufwachen, weil das Hirn noch durchblutet ist. Den Hirntod stellen zwei unabhängige, also nicht am Organspendeprozess beteiligte, ärztliche Fachpersonen anhand von sieben klinischen Tests fest. Unter anderem muss die Spontanatmung fehlen.

Wo kann ich meine Entscheidung hinterlegen?
Ein Spenderausweis kann bei Swisstransplant und in den meisten Apotheken bestellt werden. Einfacher ist der Eintrag im Nationalen Organspenderegister. Auf swisstransplant.org kann man sich registrieren und über jedes Organ einzeln entscheiden und seinen Entscheid jederzeit anpassen. Die Spitäler können das Register anfragen. Ist ein Eintrag vorhanden, wird dieser den Angehörigen vorgelegt.

Nathalie Krügel ist plastische Chirurgin und Senior Medical Consultant bei Swisstransplant in Bern.

Würde sich dieser Prozess bei der sogenannten erweiterten Widerspruchslösung ändern?
Erweitert bedeutet, dass die Familie in jedem Fall gefragt werden muss. Falls diese Regelung, wie in anderen europäischen Ländern, in Kraft tritt, wird die Organspende zum Normalfall. Dies würde für Angehörige sowie das Spitalpersonal mehr Klarheit schaffen, weil sich alle aktiv zu Lebzeiten äussern müssten. Derzeit sind über 80 Prozent in der Schweiz für eine Organspende. Im Ernstfall lehnen aber 55 Prozent der Angehörigen diese ab, weil sie nicht wissen, was die verstorbene Person wollte. Sich zu äussern, ist deshalb wichtig.

Kommen alle als Spendende in Frage?
Der älteste Spender in der Schweiz war 88-jährig. Er spendete seine Leber. Grundsätzlich darf kein Risiko einer übertragbaren Krankheit bestehen. Nur wenige Gründe, wie ein fortgeschrittenes Tumorleiden mit Metastasen, sprechen gegen eine Organspende. Eine Spende nach überstandener Krebserkrankung ist allerdings möglich. Ebenso nach Covid. Nach einem schweren Verlauf kann die Lunge aber unter Umständen nicht mehr gespendet werden. Vor der Transplantation wird getestet, wie gesund ein Organ ist. Die Angehörigen erfahren jeweils, welches Organ Leben retten konnte.

 

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