«Tiere sind in der Therapie Brückenbauer»

Interview Jeanne Fürst und Danica Gröhlich, 21. Oktober 2021

(Symbolbild: iStock)

Tiere helfen unserer Gesundheit. Wie auch Menschen mit Hirnverletzungen von tiergestützten Therapien profitieren, sagt die Psychotherapeutin Karin Hediger.

Frau Hediger, welchen Einfluss haben Tiere auf Menschen?
Zahlreiche Studien belegen, dass Tiere deutlich zur Verbesserung unserer Lebensqualität beitragen. Sie ermöglichen den schnelleren Kontakt zu anderen Menschen und strukturieren den Tagesablauf, wir haben eine Aufgabe, werden gebraucht. Deshalb sind sie auch ein wichtiger Sozialpartner wie ein Familienmitglied. Beim Streicheln wird das Bindungshormon Oxytocin ausgeschüttet, das Stresshormon Cortisol verringert und die Herzrate gesenkt. Allerdings muss man die Frage nach dem Huhn und dem Ei stellen: Schaffen sich gesündere Menschen eher ein Tier an, oder wirkt sich das Tier positiv auf die Gesundheit aus?

Wie können Tiere auch Kranken in der Therapie helfen?
Tiere bringen eine gewisse Normalität, aber auch Spontaneität in den Reha-Aufenthalt. Denn sie werten nicht nach menschlichen Massstäben. Ihnen ist egal, ob jemand beispielsweise gelähmt ist oder wie jemand nach einem Unfall aussieht. Deshalb haben Patientinnen und Patienten meist eine hohe Motivation, sich mit dem Tier zu beschäftigen. So kann das Tier zum Brückenbauer für die Therapie werden.

Karin Hediger erforscht an der Universität Basel die tiergestützte Therapie am Rehab Basel.

Welche Tiere werden im Rehab Basel eingesetzt?
Neben Katzen leben im Therapie- Tiergarten unter anderen Kleinpferde, Schafe, Ziegen, Minischweine oder Hühner. Auch Therapiehunde kommen zum Einsatz. Die Schafe etwa machen sehr gerne einen Parcours. Dabei geht es darum, dass sich die Patienten im Raum wieder orientieren lernen, die Hindernisse benennen und korrekt aufstellen können. Beim Absolvieren des Parcours mit dem Schaf sind motorische Fähigkeiten wie das Gleichgewicht gefragt, aber auch Frustrationstoleranz und Kommunikation, damit das Schaf das tut, was man möchte.

Was können Hühner bewirken?
Auch manche Hühner kann man streicheln. Zudem sind sie extrem clever. Sie lassen sich beispielsweise darauf trainieren, dass sie nur auf ein rotes Viereck picken. So lernen Menschen mit Hirnverletzungen spielerisch wieder die verschiedenen Farben und Formen. Beim Zubereiten des Futters üben sie, Karotten zu raffeln oder eine Dose zu öffnen. Alles Handlungen, die sie daheim auch wieder brauchen.

Woran forschen Sie gerade?
Derzeit untersuchen wir die Hirnaktivität von Personen im «Wachkoma». Dazu messen wir an der Stirn die Durchblutung. Je aktiver die Neuronen sind, desto mehr Blut wird gebraucht. Und tatsächlich reagieren diese Menschen besser auf Reize, wenn ein Tier anwesend ist. Hierfür dürfen die Hunde, Katzen, Kaninchen und Meerschweinchen auch ans Bett zum Kuscheln kommen.

 

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