«Die Angehörigen sind eine wichtige Stütze»

Interview Jeanne Fürst und Danica Gröhlich, 23. September 2021

(Symbolbild: iStock)

Schädel-Hirn-Traumata sind belastend. Welche Therapien Menschen mit auffälligem Verhalten nützen, sagt Katja Doepgen, Stationsleiterin im Rehab Basel.

Frau Doepgen, wie kommt es zu einem Schädel-Hirn-Trauma?
Schädel-Hirn-Traumata haben unterschiedliche Ursachen. Hirnblutungen etwa oder Unfälle wie Treppenstürze oder auch Velounfälle. Unsere jüngste Patientin war 17 Jahre alt und wurde auf dem Zebrastreifen angefahren, unser ältester Patient war über 80 Jahre alt und stürzte beim Kirschenpflücken von der Leiter. Wir bekommen die Patienten zugewiesen, bei denen sich nach dem Ereignis Verhaltensauffälligkeiten zeigen.

Wie fallen die aus?
Die Patientinnen und Patienten haben häufig keinen Tag-Nacht-Rhythmus und wissen nicht, wo sie sind. Ihnen fehlt das Verständnis für die Situation: Es ist ihnen ist nicht klar, dass sie verletzt sind und wie schwer.

Werden Betroffene gar aggressiv?
Auch das kann vorkommen. Allerdings handelt es sich häufig nur um gezieltes Abwehrverhalten. Das für uns normale Leben um uns herum wird diesen Hirnverletzten sehr schnell zu viel. Es sind zu viele Reize vorhanden, die sie nicht mehr filtern können. Die Betroffenen sind leicht ablenkbar, benötigen daher eine Reizabschirmung. Manche haben einen ausgeprägten Bewegungsdrang und beanspruchen viel Raum. Alles Bedürfnisse, die eine angepasste Umgebung nötig machen. Deswegen sind wir eine geschützte Station.

Katja Doepgen ist Leiterin der Station für
schwer verhaltensauffällige
Patienten im Rehab Basel.

Wie geht das Umfeld damit um?
Für die Angehörigen ist die Situation oft sehr belastend. Der Mensch, der bei uns liegt, hat häufig wenig Ähnlichkeit mit der Person, die sie kennen. Die Reaktionen fallen in der Regel emotional aus. Die Angehörigen sind für uns und unsere Arbeit eine wichtige Stütze. Wir versuchen, sie so weit wie möglich miteinzubeziehen, um so mehr über unsere Patientinnen und Patienten zu erfahren. Häufig sind es Gewohnheiten, Vorlieben oder Hobbys, die uns den Zugang zu den Verletzten ermöglichen.

Was ist das Ziel einer Therapie?
Wir versuchen, eine grösstmögliche Selbständigkeit für den Alltag zu erreichen.

Wie gehen Sie dazu vor?
Voraussetzung ist ein vertrauensvoller Beziehungsaufbau. Viel Wert wird auf die Zusammenarbeit der Pflege mit anderen Berufsgruppen wie etwa Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie und Neuropsychologie gelegt, um den Genesungsprozess zu unterstützen.

Welche Chancen auf Genesung haben Betroffene?
Das ist abhängig von der Art der Schädigung. Abgestorbene Hirnzellen wachsen leider nicht nach. Das Gehirn kann jedoch im Laufe der Zeit Kompensationsstrategien entwickeln. Wir sehen aber immer wieder Erfolge – selbst eine Rückkehr ins Arbeitsleben kann gelingen.

 

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