Von Danica Gröhlich, 22. September 2021
Die Verunsicherung bezüglich der Covid-Impfung ist gross. Die wichtigsten Fragen beantwortet Professor Christoph Berger, Präsident der Eidgenössischen Kommission für Impffragen (EKIF).
Wieso bricht das Virus in Ländern mit hohen Impfquoten wie Israel wieder so stark aus?
In diesen Ländern, aber auch in der Schweiz, setzen sich derzeit die Viren der viel ansteckenderen Delta-Variante durch. Die Impfung wurde nicht für diese Variante entwickelt, weshalb der Schutz gegenüber milden oder asymptomatischen Infektionen etwas weniger gut ist. Der Schutz vor schweren Infektionen in der Lunge dagegen schon. Das liegt daran, dass es trotz Impfung schwierig ist, Viren in den oberen Atemwegen an einer Übertragung zu hindern. Denn ein Virus muss zuerst den Weg von den oberen Atemwegen in die Lunge finden. Deshalb verzeichnen Israel, England oder die USA steigende Zahlen, aber unter den Geimpften kaum mehr schwere Fälle.
Wie sinnvoll ist eine Impfung, wenn ich trotzdem Corona bekommen kann?
Ja, auch Geimpfte können das Virus haben und weitergeben. Geimpfte sind aber sowohl schlechtere Überträger als auch schlechtere Empfänger und werden auch weniger schwer krank. Derzeit sind über 90 Prozent der Hospitalisierten nicht geimpft. Aufgrund der steigenden Zahlen von Infizierten nimmt auch der Anteil junger Menschen ohne Vorerkrankungen auf den Intensivstationen zu. Deshalb empfehlen wir die Impfung inzwischen auch allen 12- bis 30-Jährigen. Jüngere Menschen haben nach einer Impfung wieder mehr Freiheiten, müssen nicht in Quarantäne und könnten die Spätfolge Long Covid abwenden.
Wie sicher ist die Impfung aufgrund der kurzen Entwicklungszeit?
Die Impfung ist sicher. Selten hat es Zulassungen für Impfstoffe gegeben, welche an so grossen Personengruppen angewendet wurden. Die Studien mit Daten aus der ganzen Welt werden immer noch weitergeführt. Und der Impfstoff wurde nicht einfach erfunden: Die mRNA-Forschung existiert bereits seit gut zehn Jahren. Für eine Zulassung, die für zwei Jahre erteilt wird, sind auch in der Schweiz klinische Studien nötig. Während dieser Zeit müssen die Firmen der Zulassungsbehörde Swissmedic immer wieder Folgedaten einreichen. Die schweren Nebenwirkungen werden ebenfalls erfasst.
Welche Spätfolgen sind möglich?
Neue Impfstoffe wurden auch bei der H1N1-Pandemie 2009, der Schweingerippe, eingesetzt. Innerhalb eines halben Jahres sah man, dass bei einer genetischen Veranlagung bei einem Impfstoff selten die Schlafkrankheit Narkolepsie auftrat. Bei den mRNA- Impfstoffen von Moderna und Pfizer / Biontech können wir so etwas nicht vorhersagen. Nun impfen wir bald ein Jahr, in dem bereits hunderte Millionen von Menschen weltweit geimpft wurden. Auch bei der Hirnvenen-Thrombose nach AstraZeneca mussten Millionen geimpft sein, um diese sehr seltene Nebenwirkung zu sehen. Bei jungen Männern kann in Ausnahmefällen eine Herzmuskel- Entzündungen nach einer mRNA- Impfung auftreten. Die Frage ist: Wie häufig kommt eine solche Entzündung auch ohne Impfung vor? Denn Corona selbst löst deutlich häufiger Entzündungen aus als eine Covid-Impfung.
Warum sollen sich auch bereits Erkrankte impfen lassen?
Jemand, der Covid hatte, ist anschliessend ein paar Monate geschützt. Dieser Schutz nimmt aber ab. Und die Person ist gegen die Variante, die sie hatte, am besten geschützt. Zweimal Geimpfte haben einen breiteren Schutz als Genesene. Um unser immunologisches Gedächtnis für einen Langzeitschutz zu stimulieren, ist für bereits Erkrankte noch eine Impfung nötig.
Wie hoch ist das Risiko für Allergiker? Die mRNA-Impfstoffe sind in Lipid-Partikel verpackt, um mit diesem «Köfferchen» in die Zellen zu gelangen. Deshalb muss dieses instabile Teilchen auch gekühlt werden. Auf solchen Fettkügelchen hat es Oberflächenstrukturen, auf die man äusserst selten allergisch reagieren kann. Wo bekannt, sollte das vorgängig mit dem Allergologen geklärt werden. Mit Heuschnupfen oder einer Allergie auf Hühnerei wie bei der Grippeimpfung hat das nichts zu tun: Da ist die Covid-Impfung kein Problem.
Hat der mRNA-Impfstoff Auswirkung auf mein Erbgut?
Nein. Der Impfstoff enthält einen Bauplan für das sogenannte Spike- Protein, das eine Immunreaktion auslöst. Mit der Impfung gelangt dieser in die Zelle, aber nicht in den Zellkern. Der menschliche Körper macht das Gleiche: Er stellt von Natur aus mRNA her und liest diese ab, um lebenswichtige Proteine herzustellen. Das erfolgt aber nie rückwärts in den Kern oder in die Gene hinein.
Macht die Impfung unfruchtbar?
Nein. In der Plazenta hat es zwar ein Eiweiss, das einen zum Teil ähnlichen Bauplan wie das Spike- Protein hat. Doch eine Fruchtbarkeitsstörung konnte keine Studie nachweisen. Wenn diese Befürchtung wahr wäre, dann hätten auch mit dem Virus Infizierte eine geringere Fruchtbarkeit. Für alle mit Familien-Planung gibt es keinen Grund, sich nicht impfen zu lassen.
Sollen Schwangere und Kinder sich impfen lassen?
Schwangere werden in den USA bereits geimpft. Auch wir haben jetzt eine Impf-Empfehlung für Schwangere herausgegeben, aber dem zweiten Drittel der Schwangerschaft. Auch ohne gezeigtes Risiko im ersten Drittel, aus Vorsicht, da kann immer etwas passieren, auch ohne Impfung. Eine Covid-Erkrankung in der Schwangerschaft könnte zu einer schweren Erkrankung der Mutter und zu einer Frühgeburt führen. Das Virus wird extremst selten von der Mutter aufs Kind übertragen. Stillen und Impfen ist auch kein Problem. Für Kinder empfehlen wir eine Impfung ab 12 Jahren. Für unter 12-Jährige muss es noch die entsprechenden Daten geben. Bisher zeigen Kinder nach einer Ansteckung weniger schwere Symptome.
Für wen wird die 3. Impfung nötig?
Hauptziel ist es, schwere Infektionen zu verhindern. Nehmen die Hospitalisierungen bei Geimpften zu, wäre eine 3. Impfung zu bedenken. Dreifach geimpft werden derzeit nur Immungeschwächte. Wir schauen, ob eine weitere Impfung, zum Beispiel für Senioren, in Zukunft nötig wird.
Ich bin gesund. Warum soll ich mich überhaupt impfen lassen?
Diese Impfung ist extrem wirksam, extrem sicher und bietet einen extrem guten Schutz vor, aber auch nach einer Infektion. Zudem umgehen Sie mit einer Impfung viele Einschränkungen und helfen, unser Gesundheitssystem aufrechtzuerhalten. Schliesslich wollen wir doch alle raus aus der Pandemie. Eine Corona-Krankheit tut allen weh. Und es ist nicht angebracht, für andere Spital-Betten zu besetzen, obwohl man sich impfen lassen könnte.
Weitere Informationen:
www.bag-coronavirus.ch/impfung