Interview Jeanne Fürst und Danica Gröhlich, 26. August 2021
Sie klingt harmlos. Doch die Schaufensterkrankheit ist kein Spaziergang. Wie wir dem schmerzvollen Beinleiden vorbeugen können, sagt der Gefässspezialist Hak Hong Keo.
Herr Keo, was ist die Schaufensterkrankheit?
Sie ist eine Gefässerkrankung der Bein- oder Beckenarterien. In der Fachsprache nennen wir sie periphere arterielle Verschlusskrankheit. Hierbei kommt es zu einer Verengung von Gefässen. Die Ursache ist eine Verkalkung der Blutgefässe, also eine Arteriosklerose. Der Muskel erhält beim Gehen zu wenig Sauerstoff, was zu Schmerzen oder Krämpfen in der Wade führt und zum Stehenbleiben zwingt. Beim Stehen sinkt der Sauerstoffbedarf, die Schmerzen lassen nach. Deshalb schaffen es Betroffene nur von Schaufenster zu Schaufenster.
Ist die Krankheit in der Folge gefährlich?
In der Tat, denn auch die Herzkranz- oder Hirngefässe können verkalken. Es kann zu einem Herzinfarkt oder Schlaganfall kommen. Ohne Behandlung ist die Sterblichkeitsrate doppelt so hoch und die Lebenserwartung um fast zehn Jahre verkürzt. Laut Schätzungen leidet jede fünfte Person über 65 Jahre daran. Doch nur etwa die Hälfte weiss davon.
Wer sollte zur Vorsorge?
Wer über 60 Jahre alt ist, eine familiäre Vorbelastung, einen hohen Blutdruck oder Diabetes hat, sollte wegen einer möglichen Durchblutungsstörung unbedingt seine Fusspulse messen lassen sowie den Blutdruck am Arm und Bein. Bewegungsmangel, ungesunde Ernährung, Übergewicht, hohes Cholesterin und das Rauchen fördern ebenso die Ablagerungen in den Gefässen. Meiden Sie diese Risikofaktoren bereits in jungen Jahren. Um die Gefässe zu schützen, empfehle ich eine mediterrane Ernährung mit Olivenöl, Früchten und Gemüse, weissem Fleisch sowie Fisch.
Wie wird die Schaufensterkrankheit behandelt?
Da es überall im Körper zu Ablagerungen kommen und sich ein Blutgerinnsel bilden kann, setzen wir Blutplättchen-Hemmer ein und bei Bedarf einen Blutdruck- und Cholesterinsenker. In einem frühen Stadium kann ein Gehtraining helfen. Zur Motivation am besten in einer geführten Gruppe. Falls diese kostengünstige Therapie über drei Monate nicht ausreicht, wird zur Öffnung der verengten Arterie ein kleiner Eingriff mit einem Katheter nötig. Hierbei wird die Engstelle mit einem Ballon aufgedehnt und gegebenenfalls ein Metallgitter, ein Stent, eingesetzt.
Könnte es an einer anderen Stelle wieder zu Ablagerungen kommen?
Ja, der Eingriff löst nur die aktuelle Verengung. Es können neue Engstellen auftreten. Doch die Prognosen sind sehr gut. Voraussetzung sind richtig eingestellte Medikamente, die Änderung des Lebensstils und regelmässiges Gehen. So wird die Lebensqualität enorm verbessert – sogar Wandern wird wieder schmerzlos möglich.