«Ein Gentest kann beruhigen»

Interview Jeanne Fürst und Danica Gröhlich, 10. Juni 2021

(Symbolbild: Pixabay)

Veränderungen im Erbgut können zu Krebs führen. Der Hämatologe Jeroen S. Goede sagt, wann ein genetischer Test hilft, um die geeignete Behandlung zu finden.

Herr Goede, welche Rolle spielen die Gene bei Krebserkrankungen?
Grundsätzlich tragen Krebszellen erworbene genetische Veränderungen in sich. So sehen wir etwa bei der sogenannten Chronischen lymphatischen Leukämie teilweise eine Veränderung am Chromosom 17, einem der Träger unserer Erbanlagen. Seltener ist, dass jemand ein höheres Krebsrisiko von den Eltern vererbt bekommt. So wie etwa die Schauspielerin Angelina Jolie. Sie hatte aufgrund einer Keimbahnmutation ein erhöhtes Krebsrisiko und liess sich daraufhin vorsorglich ihre Brüste entfernen.

Wie können Zellmutationen zu Krebs führen?
Nach der Zellteilung kann die Tochterzelle eine genetische Veränderung als Fehler in sich tragen. Dadurch wird das Wachstum nicht mehr richtig reguliert. Das ist vergleichbar mit einer Kopie von einer Kopie einer Kopie – irgendwann ist diese zu undeutlich und nicht mehr lesbar. Im Alter nimmt dies zu.

Dann spielen Umwelteinflüsse oder der Lebensstil ebenfalls eine Rolle?
Ja. Für den schwarzen Hautkrebs etwa zählt die UV-Strahlung der Sonne zu den wichtigsten Umwelteinflüssen. Zellen können überall dort fehlerhafte Veränderungen aufweisen, wo Gift wie beim Rauchen hingelangt und ausgeschieden wird. Rauchen etwa kann zu Lungen- und Blasenkrebs führen. Es lohnt sich jederzeit, mit dem Rauchen aufzuhören, um das Krebsrisiko zu senken.

Jeroen S. Goede arbeitet als Chefarzt Hämatologie im Kantonsspital Winterthur.

Was können Sie in den Proben von bereits Erkrankten alles sehen?
Mit einer Blut- oder Gewebeentnahme können wir Informationen über die Krankheit selbst gewinnen. Eine solche genetische Untersuchung ist bei Krebskranken oft unumgänglich zur Einschätzung der Prognose und der passenden Therapie. Gibt es eine auffällige Häufung in der Familie oder erkranken besonders Junge, dann können wir nach vererbbaren Faktoren suchen.

Wann ergeben solche genetischen Tests Sinn?
Etwa bei Menschen, in deren Familie Dickdarm-, Brust- und Eierstockkrebs in jungen Jahren gehäuft auftreten.

Wollen alle ihr Risiko kennen?
Nicht alle – aus Angst vor den möglichen Folgen. Untersuchungen am Erbgut erfordern das explizite Einverständnis, immer im Bewusstsein möglicher Auswirkungen für die ganze Familie. Denn der Test kann dazu führen, dass sich jemand häufiger einem Screening unterziehen muss. Etwa zur Dickdarmuntersuchung. Früh erkannt, ist die Prognose aber besser. Ein Gentest kann deshalb auch beruhigen, indem Betroffene wissen, dass sie die zuvor besprochenen Möglichkeiten hätten. Dann lohnt es sich, gezielt nach Genveränderungen zu suchen.

 

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