«Bereiten Sie viel selber zu»

Interview Jeanne Fürst und Danica Gröhlich, 3. Juni 2021

(Symbolbild: iStock)

Der Verzicht auf Zucker ist bitter. Die Ernährungswissenschaftlerin Anne Christin Meyer-Gerspach sagt, wie man es trotzdem schafft, süssen Versuchungen zu widerstehen.

Frau Meyer-Gerspach, benötigen wir zum Leben Zucker?
Grundsätzlich braucht unser Körper keinen Zucker aus der Nahrung. Dieser ist ein Luxusprodukt und nicht lebensnotwendig. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt 25 bis maximal 50 Gramm pro Tag für Erwachsene, 10 Gramm für Kinder. Die Schweizer Bevölkerung nimmt im Schnitt aber weit mehr als doppelt so viel zu sich: 100 bis 160 Gramm, was bis zu 40 Zuckerwürfeln entspricht.

Was löst der viele Zucker im Körper aus?
Regelmässiger hoher Zuckerkonsum hat negative und sogar schädliche Effekte auf die verschiedensten Organsysteme. Angefangen beim Mund, wo Zucker der Hauptverursacher für Karies ist. Aber auch auf den Stoffwechsel: Er begünstigt Übergewicht sowie Diabetes, schädigt die Gefässe und führt zu Bluthochdruck.

Macht Zucker süchtig?
Ja, denn Zucker ist eine psychoaktive Substanz, welche einige Eigenschaften mit Drogen teilt. So werden etwa die Dopaminrezeptoren im Belohnungszentrum des Gehirns stimuliert. Das macht Lust auf mehr und erschwert den Verzicht. Weiter kann es bei übermässigem Konsum und plötzlicher Abstinenz zu Entzugssymptomen wie Heisshungerattacken kommen. Im Gegensatz zu eigentlichen Drogen sind allerdings keine direkten Wirkungen sichtbar. Man gerät beispielsweise nicht in einen offensichtlichen Rauschzustand.

Anne Christin Meyer-Gerspach ist Gruppenleiterin für Stoffwechselforschung der St.-Clara-Forschung.

Sind Süssstoffe oder Zuckeralternativen sinnvoll?
Es darf nicht das Ziel sein, den Zucker eins zu eins zu ersetzen. Vielmehr geht es darum, den gewohnten süssen Geschmack zu reduzieren. Die Zuckeralkohole Erythrit und Xylit sind zwei gute Kandidaten dafür. Sie haben praktisch keinen Effekt auf den Blutzuckerspiegel und das Insulin, keine Kalorien, wirken aber dennoch sättigend. Letzteres unterscheidet sie von den Süssstoffen wie Aspartam, Cyclamat oder Sucralose. Es gibt Hinweise darauf, dass einzelne Süssstoffe langfristig eingenommen einen negativen Effekt auf den Blutzuckerspiegel haben oder unsere Darmbakterien ungünstig beeinflussen können. Dies kann eine Rolle spielen bei der Entstehung von krankhaftem Übergewicht oder Diabetes. Deshalb sollte die regelmässige Einnahme von Getränken mit Süssstoffen zumindest kritisch betrachtet werden.

Was raten Sie, um vom Zucker loszukommen?
Bereiten Sie viel selber zu. So wissen Sie, was drin ist, und können den Zuckeranteil senken. Verwenden Sie Rohprodukte wie Nature-Quark, den Sie selbst süssen und dem Sie Früchte beigeben. Kaufen Sie keine Fertigprodukte, auch keine Saucen mit verstecktem Zucker. Schon bald werden Sie auf den Geschmack von weniger Zucker kommen.

 

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