«Viele Betroffene merken es gar nicht»

Interview Jeanne Fürst und Danica Gröhlich, 20. Mai 2021

(Symbolbild: iStock)

Gewisse Rheuma-Erkrankungen können zu Veränderungen der Lunge führen. Wie es zu einer Fibrose kommt, erklärt die Pneumologin Sabina Guler.

Frau Guler, wissen Rheuma-Erkrankte, dass auch ihre Lunge betroffen sein kann?
Das Bewusstsein dafür ist noch nicht bei allen Betroffenen vorhanden. Eine rheumatoide Arthritis verändert nicht nur die Gelenke entzündlich, das Immunsystem kann auch die Lunge angreifen. Es kommt zu einer Entzündung im Bereich der Lungenbläschen und der Gewebeschicht, dem Interstitium. Geht diese Entzündung im Verlauf in eine Vernarbung über, so kommt es zu einer sogenannten Lungenfibrose. Auch Medikamente gegen die rheumatoide Arthritis können manchmal Lungenveränderungen auslösen.

Welche Folgen hat eine Lungenfibrose?
Da es im Bereich des Interstitiums zu Bindegewebsablagerungen kommt, wird die Sauerstoffaufnahme erschwert, und das Lungenvolumen schrumpft. Das kann so weit gehen, dass Betroffene zusätzlichen Sauerstoff benötigen. Schreitet die Fibrose fort, kann es zudem zu einem Lungenhochdruck kommen, der das Herz belastet.

Sabina Guler, Oberärztin an der Universitätsklinik für Pneumologie am Inselspital Bern.

Was sind Anzeichen einer Lungenfibrose?
Zu den ersten Symptomen zählt die Atemnot, welche zuerst nur bei Anstrengung auftritt, etwa beim Treppensteigen. Häufig beschreiben Betroffene auch einen trockenen Husten. Ein Engegefühl über der Brust wird oft als Herzproblem interpretiert, bevor klar wird, dass die Lunge die Ursache ist. Wenn jemand unter rheumatoider Arthritis leidet und länger als drei Wochen hustet oder die körperliche Leistung nachlässt, sollte er oder sie dies unbedingt abklären lassen.

Wie häufig greift die rheumatoide Arthritis auch die Lunge an?
Etwa 10 Prozent der Personen mit rheumatoider Arthritis haben eine Lungenbeteiligung, wobei viele dieser geschätzt 8000 Menschen in der Schweiz dies nicht merken. Zwar leiden Frauen etwa dreimal so oft unter einer rheumatoiden Arthritis, häufiger entwickeln aber Männer eine Lungenbeteiligung. Rauchen ist der grösste Risikofaktor. Die Wahrscheinlichkeit hierfür ist auch bei einem schwereren Gelenksbefall höher.

Ist eine Heilung möglich?
Zur Behandlung setzen wir zwei Arten von Medikamenten ein: Immunmodulatoren und sogenannte Biologika, die das Immunsystem hemmen, sowie Antifibrotika, die den Prozess der Narbenbildung angreifen. Damit wird zwar das Fortschreiten verlangsamt, um die Lungenfunktion zu erhalten. Eine Heilung gibt es aber nicht. Wichtig ist auch, körperlich aktiv zu bleiben. In einer Rehabilitation hilft ein Training von Ausdauer, Kraft sowie Atem-und Entspannungsübungen, im Alltag möglichst wenig Einschränkungen zu haben, trotz eingeschränkter Lungenfunktion. Der Verlauf gibt die Prognose vor. Bei leichtem Lungenbefall haben wir sehr gute Aussichten, dass Betroffene aufatmen können.

 

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